01.06.2018
Neues Land, neues Glück, neue Regeln:
Regel Nummer 1: jeder Tourist muss sich spätestens alle drei Tage über eine Hotelübernachtung polizeilich registrieren lassen.
Regel Nummer 2: es gibt nur sehr wenige Dieseltankstellen im Land. Diesel muss daher bei Bedarf auf dem Schwarzmarkt organisiert werden.
Nur wenige Kilometer nach der Grenze suchen wir uns zusammen mit Zöe und Barth einen Platz zum wild stehen. In der Nähe eines Friedhofs werden wir fündig. Was gut in Europa klappt scheint auch für Usbekistan zu gelten. Es ist ein ruhiger Stellplatz und wir verbringen einen lustigen Abend bei Spaghetti und unseren mit 1,5 Liter bisher größten getrunkenen Flaschen Bier.
Am nächsten Morgen trennen sich allerdings schon wieder unsere Wege, denn wir wollen nicht eines der wunderschönen Touristenhighlights ansehen, sondern beginnen dieses neue Land mit dem Besuch des ausgetrockneten Aralsees. In den 60er Jahren wurden aufgrund von der Ausbreitung des Bauwollanbaus zwei Zuflüsse des Aralsees umgeleitet, um die Felder zu bewässern. Mit verheerenden Folgen. 20 Jahre später erkannte man erst das Ausmaß, doch es war bereits zu spät den Aralsee zu retten. Der südliche Teil, der auf usbekischer Seite liegt ist fast vollkommen verschwunden. Man spricht von einem Welt-Naturkatastrophen-gebiet. Auf der Kasachischen Seite konnte der Aralsee stabilisiert werden und dort fahren die Boote wieder zum Fischfang hinaus. Im Ort Moynaq sehen wir mit eigenen Augen, was für ein Ausmaß die Katastrophe hat. Dort stehen am ehemaligen Strand, als stumme Zeitzeugen, die vor sich hin rostenden Schiffe der Fischer. Um an den Aralsee zu kommen, müsste man 100 Kilometer weiter nach Norden fahren. Wir stehen auf einer ehemaligen Klippe und sehen bis zum Horizont nur den sandigen Meeresboden. Zwei Drittel der Einwohner von Moynaq sind aufgrund der Veränderung und der damit verbundenen fehlenden Einnahmequelle weiter gezogen, ein Drittel ist geblieben und überlebt mit Viehwirtschaft. Ihre Kühe grasen nun in der weiten Steppe auf dem ehemaligen Aralsee.
In Moynaq kommen wir in den Genuss den ersten usbekischen Markt zu besuchen. Er ist klein und überschaubar. Die Auswahl der Waren dürftig und das Gemüse hat schon bessere Tage gesehen. Die Preise sind ähnlich niedrig wie in Turkmenistan. Die Menschen scheinen arm zu sein und von der Hand in den Mund zu leben. Sie bemerken uns, sind aber in keinster Weise aufdringlich, sondern so wie wir sie aus der Entfernung beobachten, beobachten sie auch uns.
Nach einer Nacht auf dem ehemaligen Seeboden fahren wir weiter in das kleine Städtchen Khiva. Dieses ist bekannt für seine kleine, aber sehr schön restaurierte Altstadt, in der ehemalige Madrassen (Koranschulen) und Moscheen besichtigt werden können. Außerdem leben auch noch 4000 Menschen in den alten Gemäuern. Für uns ein sehr guter Einstieg, um in Usbekistan anzukommen. Da wir noch keine Registrierung haben, wird es nun mal Zeit und wir campieren vor einem Hotel nahe der Stadtmauer. Auch wenn wir eine warme Dusche, schnelles Internet und ein üppiges Frühstück in Anspruch nehmen können, liegt uns dieses vorgeschriebene Prozedere überhaupt nicht und wir versuchen so oft es geht wild zu stehen.
An einem Abend wollen wir abseits des Touristenrummels ein authentisches Gasthaus aufsuchen. Einige am Straßenrand aufgestellte Holzbänke vor einer Lokalität lockt mit usbekischer Rockmusik. So was haben wir gesucht und fühlen uns auf Anhieb wohl. Die Preise sind um 50 % niedriger als in einem Touristenrestaurant und wir mögen es, wenn die Köchin mit Schürze in der Tür steht und schon von weitem mit dem Kochlöffel winkt. Der Kellner, wohl der Ehemann der Köchin, serviert uns in Jogginghose und Adiletten die usbekischen Köstlichkeiten wie Plov (Reisegericht mit Karotten und Hammelfleisch) und Kebab vom Rind. Mit einem zahnlosen Lachen stellt er uns zwei Bier auf den Tisch. Wir lehnen uns zurück und genießen unser erstes in der Öffentlichkeit serviertes Bier seit Georgien – das ist über ein halbes Jahr her. Wie gut das doch schmeckt.
Zwei Tage später fahren wir mit Magenrumpeln weiter. Am Stadtausgang von Khiva benötigen wir zum ersten Mal Diesel und fahren auf gut Glück zu einer Tankstelle. Fehlanzeige, der Tankwart winkt ab, kein Diesel. Wir tun das was bis jetzt in jedem Land geklappt hat: wir schauen hilflos drein und warten ab. Keine Minute später hat uns ein Usbeke angesprochen, sitzt bei uns auf dem Beifahrersitz und bringt uns zu sich nach Hause. Wir können abgezapften Diesel von seinem LKW haben. Seine Frau steht bei Ankunft schon mit den Kanistern in der Tür und schnell haben wir die 50 Liter in unseren Silvester gekippt. Na also geht doch.
Weiter geht es zur ehemaligen und sehr verfallen Lehmfestung von Ayaz Kala. Auf dem Weg dorthin machen wir mal wieder einen Zwischenstopp auf einem Markt. Über einen Basar, Suq oder Markt zu schlendern gehört mit zu den schönsten Beschäftigungen auf unserer Reise. Wir begutachten die angebotenen, für uns fremde Produkte, schießen Bilder, versuchen mit ein paar Wörter russisch mit den Einheimischen in Kontakt zu kommen und erfreuen uns an der Teilnahme am tatsächlichen Leben. An einem Lehmofen werden gerade mit Fleisch gefüllte Somsa (Teigtaschen) an der Innenwand abgekratzt. Natürlich wollen wir diese probieren. Sie schmecken wirklich lecker, kommen allerdings nur wenige Stunden später in flüssigerer Form wieder heraus. Schade.
Die Festung Ayaz Kala ist sehr unspektakulär und eigentlich keine Fahrt dorthin wert. Wir nutzen die zwei Tage in der dortigen Umgebung jedoch um mal runter zu kommen. Die letzten zehn Tage waren zu aufregend und irgendwann muss das Erlebte ja auch mal verdaut werden. Wir schlendern durch die Gegend und selbst das nichts tun ist mit Neuem verbunden: hier sind sie – die ersten Jurten, die ersten zweihöckrigen Kamele, die ersten Wildpferde. Nicht so einfach mal nichts zu Erleben.
Nach zwei Tagen holpern wir auf der mit Schlaglöchern übersäten Straße weiter in Richtung Osten. Wir wollen in die Stadt Buchara. Gerade als die Straße besser und auch wieder zweispurig wird kommt uns ein auffälliges Auto entgegen. Das müssen Ausländer sein. Wir erkennen ein deutsches, dann Freiburger Kennzeichen, hupen und winken. Die Insassen haben uns auch entdeckt und so fahren beide Fahrzeuge zurück. Theresa & Matthias (www.hellobigworld.de) reisen seit 18 Monaten mit ihrem Toyota Land Cruiser durch Asien. Im Iran und in Indien haben sie jeweils einen Straßenhund gerettet und reisen daher nun zu viert auf engstem Raum. Wir sitzen ein Weilchen in unserem Bus, vor der Sonne geschützt, bei Keksen und Kaffee teilen wir Reiseerfahrungen aus. Matthias rät uns nicht mehr aus Kanistern zu tanken, da sich Bakterien darin befinden könnten, die im schlimmsten Fall unseren Motor ruinieren könnten. Wir sind hellhörig und wollen in Zukunft nichts mehr riskieren und nur noch an Tankstellen tanken. Nach ein paar verquatschten Stündchen geht es für uns weiter nach Buchara, wo wir am nächsten Tag ankommen.
Im Overlander-bekannten Guesthouse Rumis ist leider tote Hose und kein anderer Reisender da, sodass wir uns entscheiden auf die Registrierung hier zu verzichten und stattdessen lieber auf einem Parkplatz im Zentrum zu übernachten. Das Städtchen ist voll mit Touristen. Vor allem jedoch Usbekische. Dennoch vermissen wir hier ein authentisches Leben. Nach dem Abendessen sind wir gerade wieder an unseren Bus angekommen, als plötzlich Zöe & Barth vor der Tür stehen. Es ist schön so weit weg von zu Hause zu sein und dennoch Besuch in unserem rollenden zu Hause zu bekommen. Gut, dass wir wenige Stunden zuvor Bier kalt gestellt hatten und wir so ein weiteren schönen gemeinsamen Abend hatten, wobei wir immer mal wieder von deutschen Reisegruppen entdeckt und angesprochen wurden. Sehr gerne machen wir dann Werbung für mehr Mut für Individualreisen, es ist doch gar nicht so schwer.
Wir bleiben noch zwei weitere Tage in Buchara bevor wir einen Abstecher in die Oktov Hills machen. Usbekistan ist bisher einfach nur flach, manchmal Wüste und manchmal Steppe. Auf dem Weg dorthin braut sich ein Unwetter zusammen und wir kommen in einen satten Regen. Kaum sind wir in den, nennen wir sie Bergchen, angekommen sehen wir, dass ein reißender Fluss in einem Seitental den Hang heruntergedonnert kommt. Wir nehmen einen Feldweg in Richtung des Naturschauspiels und laufen zu Fuß in Richtung Wildwasserfluss. Kaum stehen wir auf einem Hügel entdecken wir auf der anderen Seite ein Intermezzo. Ein Bauernhof ist zur Hälfte unter Wasser, das Vieh dicht gedrängt auf einer kleinen Wiese, Autos sind mitgerissen worden und liegen umgekippt im Fluss, die Bewohner stehen zusammen unter einem Baum und können nur tatenlos zusehen wie ihr Hab & Gut mitgerissen wird. Schrecklich. Wir stehen hilflos da. Was können wir tun? Einfach nichts. Ein Auto mit usbekischen Insassen, das uns auf dem Weg hierher entgegengekommen ist, wird hoffentlich Hilfe verständigt haben.
Wir fahren auf einen sicheren Platz und warten im Trockenen bis der Regen aufhört. Einige Schäfer laufen umher, sammeln ihre Herde ein, Menschen wollen in ihr Dorf, aber wie wir mitbekommen, ist die Straße dorthin nicht mehr da. Als sich das Wetter bessert fahren wir weiter. Die Straße wir schlechter und schlechter. Allrad ist bereits dazugeschaltet als wir an eine kniffelige Stelle kommen, wo wir eine 80 cm tiefe Furche kreuzen müssen. Janus fährt unter Einwinken von Ursel behutsam los. Dann passiert es: die Straße ist klitschig und wir rutschen mit einem Rad ab, Silvester gerät in Schieflage und droht uns umzukippen. Ein Rad hängt bereits in der Luft, Ursel springt außen schnell auf die Trittstufe auf der Beifahrerseite zum Beschweren. Wir müssen hier rückwärts wieder raus. Mit Vollgas schaffen wir es und wären beinahe den Abhang auf der anderen Seite runtergerutscht. Wir versuchen erneut zu queren und schaffen es mit Steine unterlegen auf die andere Seite der Furche. Allerdings stellen wir wenige hundert Meter später fest, dass die Straße hier noch weiter weggespült worden ist und wir zu breit sind, um die Stelle passieren zu können. Also auf kleinstem Raum wenden und wieder zurück. Silvester rutscht auch dieses Mal ab und wir stehen wieder in bedrohlicher Schieflage. Wieder Steine unterlegen und mit Schwung geht es aus dem Loch. Geschafft. Nach dem Schreck wollen wir nur noch mit allen vier Rädern festen Untergrund haben.
Am nächsten Morgen hat sich das Wetter gebessert und wir finden einen weiteren Weg, der uns tiefer in die Hügellandschaft bringt. Nach 10 Kilometern endet aber auch hier der Weg – er ist einfach weggespült. Wir nutzen eine kleine Wiese, um unser Camp aufzubauen. Was bei Ayaz Kala nicht ganz funktioniert hat, wird hier nachgeholt: um Erlebtes zu verarbeiten tun wir mal nichts. Wandern ein wenig über die Hügellandschaft, lesen, schlafen, backen, kochen und versuchen mit den auf Eseln vorbeireitenden Hirten ins Gespräch zu kommen. Nach drei Tagen sind wir erholt und bereit für etwas Neues.
Wir fahren nach Samarkand - die wohl berühmteste Stadt auf der ehemaligen Seidenstraße. Da wir bereits über 10 Tage keine Registrierung mehr vorweisen können, wird es jetzt mal wieder Zeit. Das erste Mal nach acht Monaten Reisen nehmen wir ein Hotelzimmer für zwei Nächte. Das Zimmer gehört zur Kategorie Low Budget: die Matratzen durchgelegen, die Minibar warm, der Fernseher defekt, der Wasserdruck erbärmlich und die Fliesen im Bad mit Tesafilm festgeklebt, um Schlimmeres zu verhindern. Und dennoch: es gibt einen sicheren Parkplatz für Silvester und eine Dachterrasse, mit toller Aussicht.
Samarkand hat viele alte Moscheen, Mausoleen, Madrassen und Plätze zu bieten. Wir spazieren durch die Stadt, vorbei an all den schönen, mit glasierten Fliesen bestückten Gebäuden und dennoch berührt uns diese Stadt nicht. Vielleicht sind wir durch den Iran, wo uns alles viel lebendiger erscheint, verwöhnt. Die Gebäude sind nur noch für die Touristen da und der eigentliche Nutzen derer liegt weit in der Vergangenheit. Sie sind schön, aber nicht mehr authentisch.
Nach zwei Tagen atmen wir durch als wir wieder aus dem Hotel auschecken und in unseren Bus ziehen. Endlich wieder daheim. Daheim ist es doch am Schönsten. Und so wachen wir am nächsten Morgen nach einer Nacht auf einer Wiese mit einem zufriedenen Lächeln auf. Wir fahren weiter Richtung Norden, vorbei an der Hauptstadt Tashkent, in die Bergwelt von Usbekistan.
Usbekistan hat im Vergleich zu seinen Nachbarländern im Osten kaum Berge zu bieten. Nur in den Grenzregionen zu Kirgisistan und Tadschikistan wird es bergig. Wir fahren zum Charvak See und übernachten dort auf einer malerischen Wiese. Am nächsten Morgen nehmen wir ein paar Kilometer weiter einen Sessellift, der auch in den Sommermonaten fährt. Als wir dort ankommen sind schon ein paar Touristen, vor allem Usbekische, da und warten. Denn der altersschwache Lift muss erst noch mal schnell repariert werden, bevor wir ihn benutzen können. Für umgerechnet 1,50 Euro pro Nase gondeln wir in 20 Minuten gemütlich auf eine Aussichtswiese. Von dort marschieren wir weiter zum 2250 Meter hohen Kumbel Pass, wo wir uns erst mal ein Bierchen und eine Brotzeit gönnen. Als wir wieder nach unten zur Liftstation laufen lernen wir die zwei Wahl-Berliner Gilad und Simon kennen. Gemeinsam fahren wir aufgrund des schlechten Wetters wieder nach unten und laden sie spontan ein unseren letzten polnischen Wodka mit uns zu vernichten. Die zwei sind aufgrund einer fehlenden Brotzeit auf dem Pass nach zwei Schnäpsen ganz schön beschwipst und ziehen auf wackeligen Beinen weiter zu ihrer angemieteten Datscha. Wir bleiben noch eine Nacht und fahren am nächsten Tag bei etwas besserem Wetter noch einmal mit dem Sessellift nach oben. Wir wollen so langsam unsere Flip-Flop-Füße wieder an Wanderstiefel gewöhnen und laufen nun jeden Tag ein bisschen damit.
Am Nachmittag geht es für uns dann zurück nach Tashkent. Dort wollen wir mal wieder in ein Hostel einchecken, um an die nötige Registrierung zu kommen. Allerdings sind die Richtlinien in Tashkent schärfer und wir müssen eine Registrierung vom Tag davor vorweisen können, um hier eine zu bekommen. Kein Problem für fälschungserprobte Traveler wie wir es sind: auf unserer letzten Registrierung wird einfach aus einer Null eine Zwei gemacht und schon sind die Hostelbetreiber in Tashkent zufrieden.
Die Zeit in der usbekischen Hauptstadt nutzen wir um Organisatorisches für den weiteren Reiseverlauf vorzubereiten und Wäsche zu waschen. Erst am letzten Tag geht es auf kleine Sightseeingtour. Tashkent hat aufgrund seiner zerfallenen Plattenbauten und breiten Alleen mehr russischen Flair als die anderen bisher besichtigten Städte. Der Besuch des House of Photography kann man sich getrost sparen, dafür lohnt ein Besuch des großen Chorsu Basars. Wir decken uns noch einmal mit frischen Gemüse und Souvenirs ein und fahren dann zu weiteren Bergen in der Grenzregion zu Kirgisistan.
Unser Freund Fabian war vor zwei Wochen hier unterwegs und hat uns einen Bergsee empfohlen. Also nichts wie hin. Wir haben noch ein paar Tage Visa und wollen die letzten Tage in der ruhigen Bergwelt verbringen. Kaum sind wir auf die Holperpiste abgebogen gelangen wir in eine Militärkontrolle. Sie überprüfen unsere Pässe, fragen wo wir hinwollen und verbieten uns weiter zu fahren. Wir versuchen zu verhandeln, zwecklos, wir müssen umdrehen. Die beiden Soldaten verweisen uns an ihren Kommandanten, der 15 Kilometer weiter stationiert ist. Als wir dort ankommen, ist der Kommandant nicht da, wir sollen vor der Militärstation warten. Wir frühstücken in Ruhe, legen uns nochmal aufs Ohr und sind gerade eingenickt, als der Kommandant dann vor unserem Bus steht. Da keiner der Soldaten englisch spricht und Janus doch mehr russische Wörter versteht als gedacht, können wir ihm unser Anliegen vorbringen. Er winkt ab. Die Grenze zu Kirgisistan ist zu nah und er hat die Befürchtung, dass wir illegal aus Usbekistan ausreisen wollen. Das haben wir nun wirklich nicht vor. Wir bitten und betteln, zeigen auf der Karte nochmal ganz genau bis wohin wir fahren wollen. Dann lenkt er ein. Notiert sich unsere Namen und Passnummer und gibt uns die Erlaubnis. Wir bedanken uns und fahren wieder zurück zur Holperpiste. An der Stelle, wo wir drei Stunden zuvor kontrolliert worden waren, ist nun kein Soldat mehr anzutreffen. Scheint so als wären wir rein zufällig in eine Kontrolle geraten. Zur falschen Zeit, am falschen Ort.
Der Weg ist mal ausgewaschen, mal mit Geröll, mal mit Schlaglöchern. Wir kommen nur sehr langsam voran. Und das ist auch gut so, denn die Landschaft wird plötzlich so bezaubernd, dass wir ohnehin dauernd anhalten müssen, um das Panorama zu genießen. Sanft abfallende grüne Wiesen mit blühenden Blumen, schneebedeckte Berge im Hintergrund, überall grasen Kühe, Schafe und Ziegen, Erdhörnchen rennen über die Wiesen, immer wieder fahren wir an Jurten der Nomaden vorbei. Mal schoren sie gerade die Schafe, mal reiten sie auf ihren Pferde um ihre Herde. Super idyllisch und wir sind total froh noch einmal hier von der Touristenroute abgebogen zu sein. Für die gut 50 Kilometer bis zum See nehmen wir uns den ganzen Tag Zeit und erreichen nach unserer ersten Flussdurchfahrt bei untergehender Sonne den Bergsee. Traumhaft schön. So eine Landschaft hatten wir erst in Kirgisistan erwartet und unsere Vorfreude auf das nächste Land steigt.
Unsere Füße haben sich langsam wieder an die Bergstiefel gewöhnt und wir suchen uns am nächsten Morgen mit dem Finger einen Berg heraus. Da wollen wir hoch. Natürlich gibt es keine Wege, sodass wir nur sehr langsam voran kommen. Über Wiesen, Felsen, Schnee- und Geröllfelder geht es dem 3400 Meter hohen Gipfel entgegen, den wir drei Stunden später erreichen. Die Aussicht ist traumhaft und der Aufstieg hat sich mehr als gelohnt. Als wir zurück am Bus sind ziehen erste dunkle Wolken auf und wir hoffen in keinen Regen zu kommen, da dann der Weg zurück zur Asphaltstraße schlammig und rutschig werden könnte. Aber es kommt noch schlimmer. Als wir am nächsten Morgen aus dem Fenster schauen, trauen wir unseren Augen nicht. Wir sind eingeschneit. Nun trifft zum ersten Mal der Fall ein auf dem man sich zu Hause immer vorbereitet hat: wir können hier nicht weg und müssen so lange bleiben, bis die Wege wieder passierbar sind. Wir sind gut vorbereitet: genug Wasser, Diesel und Lebensmittel an Bord harren wir aus bis sich die Wetterverhältnisse wieder stabilisiert haben. In den Bergen kann sich alles schnell ändern und so sind wir überrascht, dass am Abend schon fast wieder alles weggetaut ist.
Am nächsten Morgen verschieben wir unsere Abfahrt um einen weiteren Tag. Es ist einfach zu schön hier. Wir unternehmen eine weitere Wanderung zu einem See und genießen die Ruhe und Abgeschiedenheit. Weit weg von der Zivilisation könnte man meinen, dass einem irgendwann langweilig wird. Bei uns verhält sich das gerade umgekehrt: je länger wir das sind, desto mehr entdecken wir: hier ein Pferdeskelett, da Dutzende Erdhörnchen die über die Wiese springen, in der Abenddämmerung eine Fuchsmutter, die mit ihrem Jungen im Maul um unseren Bus schleicht, ein Nomade der mit seiner Herde an unserem Lager vorbeizieht und und und. Oft sitzen wir stundenlang vor unserem Bus und sagen gar nichts: schauen nur umher und genießen. Irgendwann sagt einer von uns beiden: „Schön hier, oder?“ - Ja, einfach nur schön.
Einen kurzen, aber sehr eindrücklichen Zwischenstopp legen wir kurz vor der Grenze in der Stadt Namangan ein. Den dortigen Basar erleben wir als einer der schönsten, lebendigsten und natürlichsten Märkte auf unserer bisherigen Reise. Das Angebot ist groß und vielfältig, die Menschen freundlich und neugierig. Stundenlang schlendern wir an den Ständen vorbei, decken uns ein letztes Mal mit frischem Gemüse ein und finden noch den ein oder anderen Nippes.
Da wir keinen geeigneten Schlafplatz mehr finden, entschließen wir uns spontan doch gleich über die Grenze zu fahren. Unsere neue Taktik, um einer Autodurchsuchung entgegenzuwirken: das Wageninnere sieht aus als hätte eine Bombe eingeschlagen: Einkaufstüten, Mülltüten, Klamotten, Schuhe, Wasser- und Bierflaschen – alles wild durcheinander. Und doch scheint dies die usbekischen Zöllner nicht zu interessieren – sie quetschen sich zwischen all den herumfliegenden Sachen und finden natürlich nichts. Bei der Passkontrolle kommen wir dann noch einmal kurz ins Schwitzen als der Beamte nach den geforderten Registrierungen fragt. Er will ganz genau wissen, wo wir wann waren und warum wir da keine Registrierung haben. Wir erklären, dass wir gerne in der Natur unterwegs sind und da wo wir hinwollen es noch keine Hotels gibt. Nach einigen, gefühlt ewigen, Minuten willigt er ein und lässt uns passieren.
Wir blicken zurück auf vier abwechslungsreiche und spannenden Wochen. Es hat uns sehr gut gefallen. Vor allem abseits der Touristenpfade. Zum Schluss sei noch erwähnt, dass Usbekistan ein sehr sauberes, ordentliches Land ist. Trotz, dass die Menschen arm sind, wird der Garten, die Straße, das Haus sehr gepflegt. Wir sehen weniger Müll als in Deutschland und das überrascht uns noch mehr, da wir kaum Mülleimer gesehen haben.
janus_schymonski@gmx.de
ursula_schymonski@gmx.de
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