08.05.2018
Willkommen in Turkmenistan! Willkommen in Absurdistan!
Wir können es noch gar nicht glauben, dass es doch noch mit einem Visum für Turkmenistan geklappt hat. Neben Nord-Korea ist das Turkmenistan Visa eines der am schwierigsten zu bekommenden Visa überhaupt. Auch wenn es nur fünf Tage Transit sind, freuen wir uns auf dieses verrückte Land.
An der Grenze wird unser Feuerwehrauto mit einem GPS-Sender ausgestattet, so dass wir rund um die Uhr überwacht werden können. Außerdem vermuten wir, dass sich eine Wanze in dem kleinen Kästchen befindet und wir dauerhaft abgehört werden. Auf einer Landeskarte wird noch einmal genau eingezeichnet, welche Route wir fahren dürfen. Diese hatten wir bereits bei unserer Visabeantragung im März in Abu Dhabi angeben und nun ist es uns nicht erlaubt von dieser Route abzuweichen. Uns erinnert das an die Stasi-Zeiten der DDR.
Nach vier Stunden haben wir den wohl bisher schwierigsten Grenzübergang gemeistert und werden mit den Worten: „don´t stop and no photo the next 40 km“ von den Grenzbeamten verabschiedet.
Wir fahren ohne auch nur einem Auto zu begegnen die 40 Kilometer. Überall auf den Bergen befinden sich Wachposten und wir trauen uns nicht, auch nur für eine kleine Pinkelpause anzuhalten. Völlig unerwartet taucht in der trockenen Landschaft plötzlich die Hauptstadt Asgabat auf. Auf scheinbar nagelneuer Autobahn geht es in die weiße Stadt hinein. Die Straßen sind leer, die Häuser wirken unbewohnt, kaum Autos, fast keine Menschen zu sehen. Nur vereinzelt sehen wir vermummte Frauen, die die Autobahn und Straßen kehren oder Polizisten, die die Kreuzungen bewachen. Die Stadt ist blitzeblank sauber, kein Sand und kein Müll. Die Häuser sind allesamt weiß und lassen uns aufgrund der Modernität und Architektur an Dubai denken. Der Präsident hat sich ein Palast und Prunkbau nach dem anderen errichten lassen. Sein Konterfei begegnet uns auf zahlreichen Häuserfassaden und man ahnt dabei gar nicht mit was für hirnrissigen Vorschriften er immer wieder sein Land aufs Neue überrascht. Weiß scheint seine Lieblingsfarbe zu sein und somit müssen nicht nur Häuser eine weiße Fassade aufweisen, sondern selbst Autos, die in der Hauptstadt zugelassen sind. Da er sich einer Herzoperation unterziehen und deshalb das Rauchen aufgeben musste herrscht ab sofort Rauchverbot auf Straßen und in öffentlichen Räumen. Er will niemanden mehr Rauchen sehen. Schmutz mag der Herrscher auch nicht, daher müssen alle Autos geputzt sein, sonst droht ein Bußgeld.
Wir fahren einige sehenswerte Plätze und Gebäude in der Stadt an. Alles super gepflegt, alles sauber. Aber für wen? Wir sind allein. Nur ab und zu sehen wir andere Reisende. Wo sind denn die 700.000 Einwohner der Stadt? Wirkt schon ein wenig befremdlich. Wir fahren weiter auf mehrspurigen Straßen und entdecken an einem Prunkbau ein Schild, das ein Supermarkt sein könnte. Und tatsächlich: hinter der weißen Fassade verbirgt sich eine Shoppingmall mit Supermarkt. Hier sehen wir nun endlich ein paar Turkmenen. Wir haben unsere Vorräte im Iran zwar gerade aufgestockt und benötigen nichts, dennoch wollen wir sehen, was für Produkte in einem turkmenischen Supermarkt angeboten werden. Wir staunen nicht schlecht: hier gibt es fast alles wie bei uns. Nur mehr Schnaps und mehr Wurst. Wir kaufen ein paar Flaschen Bier und fahren weiter zum Stellplatz für die heutige Nacht. Beim Hotel Al Aktyn können wir für lau auf dem Parkplatz campieren und ihre Toilette benutzen.
Am Abend unternehmen wir einen Sparziergang durch ein Wohnviertel. Die Häuser sind zwar weiß, aber haben nichts mit den Prunkbauten des Präsidenten gemein. Uns erinnern sie mit ihren Einglasfenstern, Glühbirnen ohne Lampenschirm und dunklen Schränken an Wohnungen im ehemaligen Ostblock. Einfache Arbeiterwohnungen, aber bitte in weiß. Hier sehen wir auch viele Einheimische die spazieren gehen, sich auf der Straße treffen und unterhalten. Zu gerne würden wir Kontakt aufnehmen und ihnen Fragen zu ihrem Land stellen. Dies ist allerdings keine so gute Idee. Der Staat hört und sieht alles und wer weiß, wer von den Angesprochenen vielleicht selbst ein Mitarbeiter der Überwachungsmaschinerie ist. Außerdem wollen wir uns und schon gar nicht die Menschen durch neugierige Fragen in Schwierigkeiten bringen. Also verzichten wir darauf, beobachten nur und legen uns nach einem ersten kräftezehrenden Tag in die Koje.
Am nächsten Morgen wollen wir zum wohl berühmtesten Gebäude fahren – dem Ferris Wheel. Sieht aus wie eine Mischung aus Scientology-Anbetungsobjekt und Science Fiction Illusion. An der Hotelrezeption fragen wir nochmal nach dem Weg und bekommen zur Auskunft, dass es eine 20-minütige Fahrt ist. „If there is no traffic“ hängt die Angestellte noch an ihre Auskunft. Wir wollen am liebsten laut raus prusten. Welcher Traffic? Welcher Verkehr? Hier gibt es doch fast gar keine Autos.
Wir fahren also los. Bald darauf springt plötzlich ein Polizist auf die Spur: hier ist gesperrt. Wir sollen weiter fahren. Na gut. Dann halt die nächste Abbiegung. Aber auch hier winkt wieder wie wild ein Ordnungshüter und will, dass wir weiter fahren. So geht das dann bei fast jeder Kreuzung, an der wir abbiegen möchten. Wir kommen einfach nicht zu dem Gebäude. Wir mutmaßen, dass wohl der Präsident heute die Straße entlang fahren will und wir deswegen nicht die Spur blockieren dürfen. Schon gar nicht mit einem schmutzigen, roten Auto...
Wir verlassen das Zentrum von Asgabat und halten an der Stadtgrenze noch bei einem Markt. Hier muss es sein. Das echte, wirkliche, unzensierte turkmenische Leben. Im Vergleich zum Stadtzentrum ist hier wirklich was los und wir schauen uns die Menschen genau an. Wer weiß wie viele wir noch sehen werden. Die Frauen tragen knöchellange, bunte Kleider. Auf dem Kopf wird unter ihrem Kopftuch eine Art Schaumstoffhülse versteckt, so dass der Kopf wie bei einer alten Ägypterin ausschaut. Die Männern haben zum Teil Fellmützen, zum Teil aufwändig bestickte Käppchen auf ihrem Haupt. Kaum hat Ursel ein paar Fotos geschossen, kommt auch gleich ein Aufpasser daher: no photo! Ok, dann halt nicht.
Die Preise auf dem Markt sind unglaublich niedrig. Zwiebeln kosten das Kilo umgerechnet nur 10 Cent und auch kitschige Souvenirs sind für ein paar Cent zu haben. Wir probieren ein paar mit Spinat gefüllten Teigtaschen und fahren weiter in nördliche Richtung – immer weiter Richtung Usbekistan. Kaum haben wir Asgabat verlassen ändert sich die butterweiche Autobahn in eine Holperpiste. Für was haben wir eigentlich eine Straßensteuer bezahlt? Hier kommt das Geld definitiv nicht an und wir ruckeln die 250 Kilometer nur sehr mühsam dahin.
Zu Sowjetzeiten wurden im Zentrum des Landes einige Gasforschungen vorgenommen. Leider ist dabei etwas schief gelaufen und es kam zu Explosionen, die zu drei Kratern führten. Alle drei Krater liegen auf unserer genehmigten Strecke. Die ersten beiden Krater sind nicht sehr spektakulär: große Einschlaglöcher mit Wasser bzw. Schlamm. Zum dritten Krater gelangen wir nach einer einfachen Offroadfahrt. Dieser Krater ist der größte und beeindruckendste. Er wird auch das Tor zur Hölle genannt, denn seit den 50er Jahren brennt er ohne Unterlass. Am Rand ist es unglaublich heiß und der ständige Wind bläst einem die Hitze ins Gesicht. Gut zum Wäschetrocknen. In sicherer und vor allem etwas kühlerer Entfernung schlagen wir unser Nachtlager auf. Da es sich um eine der größten Touristenattraktionen im Land handelt sehen wir am Abend noch zwei Dutzend andere Reisende. Wir sind jedoch die einzigsten mit eigenem Auto. Vor allem in der Nacht kommt der Feuerkrater am besten zur Geltung. Er wirkt tatsächlich wie ein Höllenfeuer und wir trauen uns gar nicht zu sehr an den Kraterrand.
Am nächsten Morgen geht die Fahrt in nördliche Richtung weiter. Die Straße wird von Kilometer zu Kilometer schlechter und wir brauchen für 200 Kilometer fast den ganzen Tag. Am Nachmittag halten wir in einem Dörfchen und decken uns mit Brot und Wasser ein. Von der Zurückhaltung der Menschen in der Hauptstadt ist hier nichts zu spüren. Sie kommen neugierig auf uns zu, fragen uns auf russisch woher wir kommen und wo wir hin fahren. Genaustens wird unser Bus inspiziert und freundlich nachgewunken als wir wieder weiter fahren.
Wir stellen uns für die Nacht an einen Fluß, an dem einige Familien picknicken bzw. fischen. Auch sie sind nicht scheu und bald stehen einige vor unserem Bus. Leider sprechen wir noch kein russisch und können uns mit ihnen nicht verständigen. Ein paar Mädchen machen noch ein Selfies mit Ursel und dann ziehen sie wieder weiter.
Die Fahrt nach Konje Urgench am nächsten Tag fordert für das Auto und seine Insassen alles ab. Wir ziehen den Seitenstreifen mit Wellblech zum Teil der mit Schlaglöchern übersäten Straße vor. Wer schon mal Wellblech gefahren ist, weiß wie schlimm dann die Alternative erst aussehen muss.
Am Straßenrand winkt eine Mutter mit zwei Kindern. Sie will auch nach Konje Urgench und wir nehmen sie spontan mit auf diese abenteuerliche Fahrt. Während wir uns am Lenkrad bzw. am Sitz festklammern um Aufschläge und Schaukeln des Autos zu kompensieren, haben es sich die drei bei uns gemütlich gemacht. Die Kinder schlafen sogleich ein und auch die Mutter lässt sich nicht von der ruppigen Fahrt beeindrucken. Ja klar. Sie kennen nur diese Art von Straßen.
In Konje Urgench laden wir die drei ab und wollen uns eine historische Stätte anschauen. Wir haben gerade unsere Brotzeit verdrückt als zwei Overlander aus der Schweiz anhalten. Beim Informationsaustausch teilen uns Zöe & Barth mit, dass sie nicht an dem 20 Kilometer entfernten Grenzübergang nach Usbekistan fahren dürfen, sondern bei ihnen ein anderer Ort zur Überquerung der Grenze eingezeichnet wurde. Wir schauen schnell auf unser Papier: oh Schreck. Bei uns steht das Gleiche. Nochmal 100 Kilometer auf Holperpiste wollen wir wirklich nicht machen. Also schließen wir uns kurzerhand zusammen und fahren nach Besichtigung der Ausgrabungsstätte gemeinsam zu dem nicht eingetragenen Grenzposten. Unser Plan: wir tun so als wüssten wir von nichts.
Die Grenzbeamten sind im Vergleich zu denen der Einreise sehr freundlich und durchlaufen mit uns die verschiedenen Stationen, bis einem Beamten auffällt, dass wir am falschen Grenzposten sind. Janus tut überrascht und sagt ihnen, dass dies ein Fehler der Beamten von vier Tagen gewesen sein muss und wir auf gar keinen Fall weiter fahren wollen. Sie willigen ein und lassen uns am späten Abend ohne Probleme ausreisen.
Wir sind froh, wieder GPS- und Wanzenfrei zu sein und fahren zu viert weiter nach Usbekistan.
janus_schymonski@gmx.de
ursula_schymonski@gmx.de
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