18.08.2018
Kaum sind wir zurück auf dem Pamir Highway und mittelmäßigem Asphalt biegen wir in ein nördlich gelegenes Seitental ab. Wir wollen zum Bulunkul See auf 3700 Meter fahren und halten nach 20 Kilometern zunächst im gleichnamigen Dorf, um ein paar Einkäufe zu tätigen. Das Dorf ist Tadschikistans kältester bewohnter Ort – das Thermometer fällt hier im Winter bis auf Minus 63 Grad. Ein wirklich trostloser Fleck, den wir nach dem Einkauf im Magazin schnell wieder verlassen. Der nur wenige Kilometer entfernt gelegene See ist von der Weite aus betrachtet aufgrund seiner glatten Seeoberfläche und der damit verbundenen schönen Spiegelung der Berge ein echter Hingucker. Als wir allerdings für eine Brotzeit am Seeufer halten, schwirren sofort tausender Moskitos um uns herum. Unglaublich: Moskitos auf fast 4000 Meter Höhe in einer staubtrockenen Landschaft...
Wir flüchten nach ein paar Fotos zurück in den Bus und fahren auf eine Hochebene zum Pausieren. Gerade als wir wieder zusammengepackt haben und weiter zu einem Geysir fahren wollen, steht just in diesem Moment ein Nationalparkranger vor uns, der uns Geld abknöpfen will. Da wir nicht zahlen wollen, sagen wir ihm, dass wir umdrehen und dann halt nicht zum Geysir fahren werden. Er fährt knurrend wieder ab und wartet einige hundert Meter von uns entfernt, um zu beobachten, ob wir tatsächlich von dannen ziehen. Wir beratschlagen uns mit Fabi und einem vorbei radelten Pärchen und entdecken bei einem genaueren Blick auf die Landkarte, dass wir gar nicht im Nationalpark sind. Also wieder zurück zum lauernden Ranger, der dann nach einem Blick auf unsere Karte sofort einwilligt. Wir können ohne zahlen weiter fahren. Na also – geht doch.
In der einsamen Mondlandschaft verfehlen wir den Geysir zunächst und finden ihn dann doch noch. Er hat nur wenige Meter Durchmesser und ganz unspektakulär sprudelt es aus einem Rohr unregelmäßig kleine Wasserfontänen nach oben. Da es schon spät ist schlagen wir hier unser Nachtlager auf und kommen auf die tolle Idee doch eine 1,5 Liter Bierflasche in das Rohr zu stecken. Es brodelt heftig unter der das Loch schließenden Flasche bis dann mit einem Knall die Flasche im hohen Bogen nach oben katapultiert wird. Auf was für blöde Ideen man so kommt, wenn man nichts zu tun hat. Aber wir hatten unseren Spaß.
Am nächsten Morgen geht es dann über das Örtchen Alichur auf den Pamir Highway. Wir fahren in westliche Richtung zurück in die Provinzhauptstadt Khorog. Die Straße ist mal wieder absolut beschissen und wir sind von dem schlechten bzw. nicht vorhandenen Straßenbelag total entnervt. Wie schon im Wakhan Korridor können wir kaum die Landschaft genießen, da die Straße die volle Konzentration benötigt. Wir wollen nur noch Meter machen und ankommen. Das Fahren auf dem Pamir haben wir sowas von satt und auch die Berge ringsrum interessieren uns auch nicht mehr. Wir sind müde, ausgepowert und brauchen dringend eine Pause. Pause vom Fahren. Pause von den braunen Bergen. Pause von Neuem.
In Khorog halten wir zunächst im Zentrum, um ein paar Erledigungen zu machen. Wir treten gerade in eine der zahlreich vorhandenen Apotheken ein, als plötzlich Johannes aus Aachen vor uns steht. Wir hatten ihn bereits vor 10 Tagen in der Pamir Lodge kennen gelernt und sind verwundert, dass er immer noch da ist. Sein Volvo sei immer noch in der Werkstatt und er wollte gerade dorthin fahren. Johannes ist echt gebeutelt und tut uns schrecklich Leid. Auto am Arsch, Durchfall, eine Wunde am Fuß und dann noch ganz allein unterwegs. Wir fahren daher spontan zusammen in die Werkstatt, wo sein Auto seit über zwei Wochen steht. Neben einem Riss in der Ölwanne, ging dann auch noch die Lenkung teilweise kaputt. In der Ausbildungswerkstatt der Universität spricht der Ausbilder deutsch und hat einige nagelneue Maschinen zur Hand, die von der GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) aus Deutschland finanziert wurden. Hier kommt also unsere Entwicklungshilfe an – sehr sinnvoll finden wir das. Wir quatschen ein wenig über Deutschland und schreien kurz auf als er uns berichtet, dass er in Mannheim seine Ausbildung zum KFZ-Mechatroniker fertig absolviert hat. Mannheim ist einfach überall.
Johannes' Auto ist am Folgetag dann fast wieder startklar und wir stoßen abends gemeinsam mit ein paar Bier auf seine baldige Weiterfahrt an. (www.silkroad-experience.com)
Im Hostel lernen wir außerdem Laure & Fabien aus den französischen Alpen kennen, die mit ihrem Hund Flash auf dem Rückweg von der Mongolei in Richtung Heimat sind (www.weoverland.fr). Zusammen mit Fabian hängen wir zwei ganze Tage im Hostel rum, reparieren einige Kleinigkeiten am Bus und entspannen seit Langem mal wieder in der Hängematte. Nichtstun ist manchmal extrem wichtig.
Bald ist klar, dass wir unsere Reisepläne mit Weiterfahrt Richtung Hauptstadt Duschanbe und dem Fan Gebirge über den Haufen werfen. Wir haben in den letzten Monaten einfach zu viele Berge gesehen und sind übersättigt. Bis wir wieder die Muse haben uns Berge anzuschauen und weiterzufahren, bleiben wir einfach in Khorog.
Fabi, der Frau & Kind bald wieder in Georgien trifft, muss nun aber weiter Richtung Norden. Nach sechs Wochen gemeinsamen Reisen trennen sich nun unsere Wege. Wir hatten uns schon super aneinander gewöhnt und so kullern zum Abschied doch ein paar Tränen. Tschüss Mister Fabian und bis nächstes Jahr dann im schönen Baden-Württemberg.
PS: Gertrude hat 2:1 gewonnen – der Sand ist Schuld & nicht Silvester !
Nach einer Woche in der Pamir Lodge sind wir halbwegs erholt und hatten Zeit uns Gedanken zu machen wie es weiter geht. Tadschikistan ist ein wirklich sehenswertes Reiseland, aber wir haben doch schon genug davon. Wir wollen zurück in unser liebgewonnes Kirgisistan. Da wir keine Lust mehr auf dem Pamir Highway haben fällt die Entscheidung doch schneller als erwartet. Wir fahren zurück ins Bartang Valley. Hier hat es uns mit Abstand am Besten gefallen und im Vergleich war der Pamir nicht mehr so faszinierend und bezaubernd, wie viele andere Reisende uns vorgeschwärmt hatten. Vielleicht hätten wir nicht mit dem Schönsten was Tadschikistan zu bieten hat, anfangen sollen.
Wie dem auch sei – spontan schließen sich uns Laure & Fabien mit ihrem Toyota Landcruiser an. Auch sie haben ihre Reisepläne nach unserer Vorschwärmerei über das Bartang Valley über den Haufen geworfen und freuen sich im Konvoi mit uns zu fahren. Da wir bereits bei der Herfahrt froh waren mit zwei Fahrzeugen hier zu sein, kommt uns dies gerade Recht. In so einer Abgeschiedenheit ist es gut nicht allein zu sein.
Die Dieselkanister werden randvoll gemacht, der Kühlschrank gefüllt und Wasser getankt. Wir sind startklar. Der Toyota von Laure & Fabien hat deutlich mehr PS und so müssen sie des Öfteren auf uns warten bis wir angetuckert kommen. Für sie eine neue Erfahrung – so entschleunigt zu reisen.
Nach einer ersten Nacht im Bartang Valley kommen wir am Tag zwei zu einer Straße, die bei unserer Hinfahrt noch gesperrt war. Damals wurden wir über eine Piste entlang des Berghangs gelotst. Die Blockade aus ein paar größeren Felsbrocken sind auf die Seite geschoben und so fahren wir die Straße entlang – bis sie abrupt an einer Überschwemmung endet. Wir erkunden den ersten Teil der Straße zu Fuß und entdecken zwei Bagger die in unsere Richtung fahren. Sie präparieren gerade die Straße und erklären uns auf russisch, wie wir die Stelle ohne Stecken bleiben passieren können. Der Toyota fährt vor und verschwindet hinter einer Kurve. Wir folgen. Zum Glück mit einem der Baggerfahrer. Auf der Trittstufe der Fahrerseite stehend zeigt er uns mit den Händen wo wir lang fahren sollen. Das Wasser ist einen halben Meter tief und wir kommen auf steinigem Untergrund gut voran. Kaum sind wir um die Ecke gebogen entdecken wir den Toyota wie er tief im Wasser steckt. Nichts geht mehr. Nicht vor, nicht zurück und starten lässt er sich auch nicht mehr. Also parken wir sicher auf der anderen Seite und schließen die Winde von Fabien an. Da er nicht mehr Lenken kann, kommt der Toyota beim Rausziehen deutlich in Seitenlage. Zum Glück kippt er nicht und kommt ebenso auf sicheren Untergrund.
Wir fahren weiter. Immer entlang des Bartang Flusses. Die Fahrt talaufwärts ist genauso spannend und sehenswert wie in die andere Richtung. Wir genießen wieder jeden Meter und stellen fest, dass sich die Straße und das Gebirge selbst in drei Wochen total verändern kann. An Stellen wo wir zuvor durch eine überflutete Straße fahren bzw. reißende Flüsse kreuzen mussten, ist nun fast alles trocken. Dafür sind nun zwei Stellen durch einen Erdrutsch versperrt und wir müssen warten bis die Bulldozer die Straße wieder frei machen. Wir bedanken uns immer wieder bei den Straßenarbeitern – ohne sie wäre kein Durchkommen möglich.
Am dritten Tag hören wir plötzlich ein seltsames Knacken unter dem Lenkrad. Wir halten an und nehmen die Verkleidung ab, um Festzustellen woher das Knacken kommt. Janus findet heraus, dass ein Träger der Lenkung angebrochen ist und repariert dies notdürftig mit ein paar Zusatzschrauben. Das muss auf alle Fälle bald geschweißt werden. Außerdem haben wir seit ungefähr 10.000 Kilometern einen Riss auf beiden Seiten der A-Säule (das sind die oberen beiden Ecken oberhalb der Frontscheibe) und unsere Scheibe rutscht bei jeder Erschütterung hin & her. Und nun wächst der Riss von Tag zu Tag. Zu guter Letzt sind die in Osch getauschten Drehstabbuchsen bereits wieder ausgeschlagen. Wir zittern jeden Tag und hoffen, dass unser Silvester bis ins kirgisische Osch nicht auseinanderbricht...
Wir fahren nun noch langsamer und vorsichtiger. So vorsichtig das bei offroad halt geht. Die Erschütterungen kommen uns nun noch heftiger vor und schleichen Kilometer für Kilometer durch das Bartang Valley.
Am fünften Tag stoßen wir zunächst auf ein liegengebliebenes Auto eines Einheimischen. Er winkt schon heftig von der Ferne und natürlich halten wir, um zu helfen. Er fragt, ob wir ihn bis zur 30 Kilometer entfernten Straße abschleppen können. Mit unserem angebrochenen Bus und über Holperpiste geht das leider absolut nicht. Stattdessen suchen wir gemeinsam nach der Ursache des Problems und nach einer Stunde steht fest, dass die Zündspule defekt ist. Wir schlagen dem Tadschiken vor ihn und sein kaputtes Teil mit in die nächste Stadt zu nehmen, was er aber ablehnt. Er will sein Auto hier nicht alleine lassen. Mehr können wir auch nicht tun, fahren weiter und stoßen bald zurück auf den Pamir Highway. Wir freuen uns das Bartang wieder einmal gemeistert zu haben, umarmen die Franzosen und haben bei Anblick des einigermaßen intakten Asphalts fast Tränen in den Augen.
Asphalt – wir lieben Dich !!!
Zu einem verspäteten Mittagessen am Karakul See stoßen spontan Enric & Miriam mit ihren Kindern Roc & Bruna dazu. Die katalanische Familie haben wir zuvor kurz in der Pamir Lodge in Khorog kennen gelernt. Sie sind mit ihrem altersschwachen, aber treuen Mercedes M100 ohne Allrad unterwegs und verbringen die Sommerferien mal anders. Von Spanien nach Kirgisistan in drei Monaten. Die Kinder lieben es und wir finden das mega cool. (www.vivac.cat)
Wir entschließen uns spontan noch heute die Grenze nach Kirgisistan zu passieren und bereiten uns auf den Grenzübertritt vor. In einem Seitental haben wir einen Marco-Polo-Schafskopf gefunden und wollen ihn mit nach Hause nehmen. Allerdings ist die Ausfuhr nicht erlaubt und beim Erwischen des Schmuggels droht entweder eine saftige Geldstrafe oder sogar Gefängnis. Laut Internet ist der Bestand des Marco-Polo-Schafs stabil und wir können die Ausfuhrbestimmungen der Geweihe nicht verstehen. Wir wollen es also riskieren und verstecken den Kopf mit den Hörnern in unserer Dachbox. Im Inneren machen wir mal wieder einen Saustall und fahren los zu Grenze.
Einige Kilometer vor dem Grenzposten gelangen wir zu einem Fluss der überquert werden muss und indem schon ein kirgisisches Auto feststeckt. Für Allradfahrzeuge ist der Fluss kein Problem. Allerdings für normale Autos ohne viel Bodenfreiheit nicht ohne Weiteres zu packen. Wir holen Bergungsmaterial der Franzosen raus und Laure schafft es, nachdem die Winde zu schwach war, mit einem elastischen Seil das Auto raus zu ziehen. Der Kirgise beginnt beim Öffnen seiner Fahrertür fast zu weinen. Das Auto wurde geflutet und aus allen Türen läuft Wasser raus. Wir wollen ihn so nicht stehen lassen und Janus & Fabien versuchen noch sein Auto wieder zum Laufen zu bringen. Nach einer Stunden kommen sie allerdings zum Ergebnis, dass Wasser in die Elektronik gelangt ist und nicht so schnell repariert werden kann. Wir überlassen ihn anderen Kirgisen und fahren weiter zur Grenze.
Bei der Einreise an der selbigen Grenze vor genau einem Monat hatten wir eine Straßengenehmigung für 14 Tage für Silvester erworben, die wir hätten in Khorog für 25 Dollar verlängern lassen müssen. Wir wollten uns das Geld zum einen Sparen, zum anderen sahen wir gar nicht ein für solch schlechte Straßen eine Gebühr zu zahlen.
In der Abenddämmerung hoffen wir, dass die Grenzbeamten keine Lust mehr haben zu verhandeln und uns schnell weiter ziehen lassen. Und so ist es dann auch: der Grenzbeamte sagt nur kurz etwas von: you have now a very big problem, lässt dann Janus aber ohne Zahlung einer Überziehungsstrafe gehen. Und auch eine Überprüfung des Autos findet dank Flash und der späten Abendstunde nicht mehr statt.
Mit einer letzten lauten Explosion unseres Auspuffs verabschieden wir uns von Tadschikistan.
janus_schymonski@gmx.de
ursula_schymonski@gmx.de
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