Während wir in Chilas auf die Wiederöffnung des KKH warteten endete auch endlich der Ramazan und die Muslime feierten Eid. Auch wir waren heilfroh, dass unser Experiment „Ramazan in einem muslimischen Land“ beendet war und kamen zu dem Ergebnis, dass dies keiner Wiederholung bedarf. Als wir hörten, dass die Arbeiten nach dem Erdrutsch fast abgeschlossen waren und die Straße in den nächsten 24 Stunden öffnen würde, ging es für uns noch einmal auf den Basar, um dort Lebensmittel zu kaufen. Danach wollten wir sofort in Richtung Norden aufbrechen. Wir fuhren also mit unserem Bus in die Basarstraße, Janus wartete im Auto während Ursel zu den einzelnen Ständen ging und einkaufte. Plötzlich versammelten sich eine Bande von Jungs in der Nähe des Braunen und feuerten einige größere Steine in unsere Richtung. Sie verfehlten nur knapp den Bus. Einige Männer beobachteten dies, entschuldigten sich bei Janus und nahmen sich die Bürschen vor, die eine Tracht Prügel einsteckten mussten. Zur gleichen Zeit eilten sogleich vier Polizisten zu Ursel an den Gemüsestand und hielt die neugierige Menge, die immer näher rückte, mit Schlagstöcken in Schach. Was war denn hier los? Wir suchten schnell das Weite und kamen nach zwei Stunden zur Stelle des Erdrutsches. Da Ausländer in Pakistan wie VIPs behandelt werden, wurden wir natürlich an den ca. 200 wartenden LKWs vorbei gewunken. Und wer kam uns da entgegen: Juan, der motorradreisende Spanier. Die Wiedersehensfreude war groß und wir vereinbarten uns in einigen Wochen in Nepal wieder zu treffen.
In der Provinzhauptstadt Gilgit versorgten wir uns noch einmal mit Dosenfutter, einem Second-Hand Daunenschlafsack und Geld, bevor es weiter in den tieferen Norden ging. Allgemein ist bekannt, dass im muslimischen Pakistan Frauen das Kopftuch tragen und Ramazan gehalten wird. In ganz Pakistan? Nein, ein kleines Gebiet im Norden namens Hunza war anders: hier konnten die Frauen selbst entscheiden, ob sie ihr Haupt bedecken und Ramazan ist hier ein Fremdwort. Diese freundlichen Artgenossen sind ebenfalls Moslems, eine Unterart der Schiiten, genannt Ismailis. Und genau da wollten wir hin. Am Ende des Tages erreichten wir Duikar, ein kleines Nest auf 2800m mit grandioser Aussicht über das Tal. Wir genossen zwei Tage Abgeschiedenheit bevor es wieder runter nach Karimabad ging, dort gab es endlich mal wieder „touristische Einrichtungen“ wie Internet, Bäckerei und nette Gästehäuser.
In unserm Gästehaus (wir leisteten uns wegen der super billigen Preise mal wieder ein Zimmer) lernten wir den Deutschen Radler Werner kennen, der schon etliche tausende Kilometer in Afrika und Asien auf dem Tacho hatte. Wir lauschten fasziniert seinen Geschichten, fanden unsere dagegen Pipifax und verabschiedeten uns bereits wieder am nächsten Tag von ihm.
An einem sonnigen Tag ging es auf den Ultar-Trek, eigentlich waren im Wanderführer zwei Tage veranschlagt, wir liefen ihn locker an Einem. Das Besondere bei diesem Trek ist der Weg entlang eines Wasserkanals, der in einen steilen Berg gehauen ist. Der Weg, nur ca. 60 cm breit, schlängelt sich kilometerlang am Berg entlang. Runter schauen war nicht zu empfehlen, denn er fiel 500m steil bergab. Gut, dass es nicht windig war und wir schindelfrei sind. Nach dieser tollen Wanderung hatten wir Blut geleckt und wollten auf eine längere Wanderung gehen. Dazu fuhren wir in das Nagyr-Tal nach Hoper. Auf dem Weg dorthin kam uns ein deutscher Wanderer entgegen, der gerade von dem Trek kam, den auch wir geplant hatten zu gehen. Er wünschte uns viel Spaß und erwähnte nebenbei, dass ihn die Leute im Ort vor fünf Jahren noch mit Steinen beworfen hätten. Na das konnte ja heiter werden. Im Dorf angekommen parkten wir unseren Bus sicher bei einem Gästehaus und machten eine Runde durch das Örtchen. Und tatsächlich kamen einige Geschosse aus Steinschleudern von Kindern hinter uns her geflogen. Ein böser Blick reichte, um die Knirpse einzuschüchtern. Ansonsten war es sehr idyllisch und die Einheimischen begrüßten uns mit „Asalaam aleikum“ (Friede sei mit Dir) und wir antworteten „Aleikum salaam“ (und mit Dir). Na dann konnte uns ja nichts passieren, inshallah (so Gott will).
Am nächsten Morgen ging es dann auf den 5 Tages-Rush-Pari-Trek, der zu einem See führen sollte. Schwer bepackt ging es los. Jeder von uns hatte 15 kg auf dem Buckel, vor allem mit Trinkwasser, Lebensmittel und mehreren Schlafsäcken, denn in der Nacht sollte es sternenklar und daher kalt werden. Zu Beginn mussten zwei Gletscher überquert werden, was selbst für die Einheimischen nicht einfach ist. Da der Gletscher ständig in Bewegung ist, ändern sich die Wege manchmal täglich. Leicht kann man sich auf einem Gletscher verlaufen und abrutschen. Unter Anspannung und ohne Zwischenfälle ging es sicher auf die andere Seite. Alle uns entgegenkommenden Hirten wurden natürlich mit Händen und Füßen nach dem Weg gefragt und so erreichten wir unser Nachtlager Bericho Kor, das aus einer Hütte sowie 200 Schafen und Ziegen bestand. Kaum war die Sonne untergegangen wurde es eisig kalt und wir krochen in unsere Schlafsäcke, Ursel mit einem Inlett in den Daunenschlafsack und Janus in unsere normalen Schlafsäcke, einen über den anderen gezogen. Und diese brauchten wir auch, denn in der Nacht gingen die Temperaturen in die Minusgrade. Am nächsten Morgen sollte es dann bei einem großen Felsen (es gab überall große Felsen...) steil bergauf gehen. Wir machten uns auf die Suche nach diesem Felsen und 1 km weiter dachten wir die Stelle gefunden zu haben. Es gab zwar keinen wirklichen Weg, aber bei den Regenfällen in diesem Jahr könnte dieser ja weggeschwemmt worden sein. Also quälten wir uns querfeldein den Berg hoch. Nach vier Stunden umherirren gaben wir es auf und gingen zurück. Auch wenn wir falsch gelaufen waren, gab es doch einen grandiosen Ausblick auf zwei riesige Gletscher, die beide länger als 30 km waren, unglaublich. Am darauf folgenden Tag dachten wir den richtigen Weg gefunden zu haben, aber auch dieser endete nach einer Stunde, also wieder zurück. Jetzt hatten wir die Faxen dicke und kehrten um in Richtung Hoper. Auf dem Weg zurück kam uns ein Spanier entgegen, der Urdu sprach und einen Hirten nach dem Weg fragte. Er gab anstandslos Auskunft: wir hatten den Weg um 2 km verfehlt. Trotzdem waren wir gut gelaunt und kamen am nächsten Tag wieder wohlbehalten in Hoper an.
Nach den Entbehrungen der letzten Tage wollten wir mal wieder eine heiße Dusche und Strom. Deswegen ging es zurück nach Gilgit, wo wir uns in einem Gästehaus zwei Tagen ausruhten, Wäsche wuschen, Kleinigkeiten am Bus reparierten und essen gingen.
Während unserer Zeit im Norden versuchten wir immer wieder herauszubekommen, in welchen Gebieten die Flut die schlimmsten Schäden angerichtet hatten. Einige Freunde in Deutschland hatten uns geschrieben, dass sie Geld spenden wollen und wir es nützlich umsetzen sollten. Doch immer wenn wir die Menschen danach fragten, kamen sie immer wieder auf DAS Thema in Pakistan zu sprechen: 9/11. Seit diesem Tag ging es mit Pakistan rapide bergab. Es kamen keine Touristen mehr, Wirtschaftsbeziehungen wurden eingestellt und was am Schlimmsten für die Einheimischen war, die Welt denkt, dass Pakistaner Terroristen und Sympathisanten der Taliban sind. In den über zwei Monaten die wir hier verbrachten, haben wir unglaublich freundliche Menschen getroffen. Sobald wir Hilfe brauchten war immer jemand zur Stelle und keiner hat uns je als ungläubigen Feind bezeichnet.
Nach fast fünf Wochen auf dem KKH ging es dann in drei Tagen wieder zurück nach Islamabad. Auf dem Weg passierte es dann: hatte unser Brauner tapfer die letzten Wochen auf den wohl schlimmsten Straßen der Welt überstanden, brach jetzt die hintere Feder. Wir hielten im nächsten Städtchen an und verbauten Eine eines Toyotas. Indessen riefen wir bei unserer bekannten VW-Werkstatt in Rawalpindi an und kündigten unser Kommen an.
Und da wir dann schon mal da waren ließen wir dann gleich mal mehrere Dinge nachschauen. Dieses Nachschauen dauerte dann allerdings 10 Tage, denn wie sich herausstellte war einiges kaputt (siehe Busprobleme). Den VW-Shop-Besitzer Moqeem schickte uns der Himmel. Er hatte nicht nur viele Ersatzteile „Made in Germany“, sondern auch allerhand Know-How. Nebenbei machte er unzählige Überstunden, zum Teil bis um 2 Uhr in der Nacht, führte uns zum Essen aus und beschenkte uns dann auch noch mit Pakistan-Souvenirs. Ganz besonders gefiel uns allerdings der Freitags-Ausflug mit seinem VW-Käfer, Baujahr 1960, der in einem super Zustand war. So kurvten wir durch Islamabad und Rawalpindi und fühlten uns wie in den 60ern. Auch wenn mal wieder unser Zeitplan durcheinander gebracht wurde genossen wir die Zeit mit Moqeem und seinem Sohn Shakeel.
Während Janus in den Tagen der Reparatur den Mechanikern auf die Finger schaute ließ Ursel sich vom einzigen Stereobildfotografen Pakistans, Moqeem´s Vater, in die Kunst der 3-D-Fotografie einführen. Hanif Malik hatte schon internationale Preise eingeheimst und den Ehrentitel des pakistanischen Fotografenclubs.
Nachdem alle Arbeiten beendet waren ging es endlich in Richtung Lahore. Hier war die Nähe zu Indien wahrhaftig zu spüren: aufdringliche Rikshafahrer, Uringestank an jeder Ecke, Bettler, Müll und Smog. Wegen der hohen Zimmerpreise entschieden wir uns im Bus zu schlafen. Aufs Klo ging es dann in die 200m entfernte Moschee und zum Duschen ging es in eine Männer-WG. Als wir gerade erschöpft nach einer Sightseeing-Tour im Bus saßen stand plötzlich wieder Radler Werner vor uns. Die Welt ist doch einfach zu klein…
Bevor es weiter nach Indien ging machten wir noch einen Zwischenstopp an der wohl verrücktesten Grenze der Welt. Seit 1948 gibt es die so genannte Grenzzeremonie in Wagah. Nach Schließung der Grenze versammeln sich auf der pakistanischen sowie auf der indischen Seite tausende Schaulustige auf Tribünen, die ihre Soldaten bei der Fahneneinholung anfeuern. Aus Lautsprechern dröhnen so laut es geht Nationallieder, jedes Land versucht lauter als das andere zu sein. Die Menschen springen von ihren Plätzen auf, lassen sich von Trommlern und Vorsängern einheizen und grölen: „Pakistan zindabad!“ – Lang lebe Pakistan!
Die lustig gekleideten Grenzer marschieren im Eiltempo zur Grenzlinie und bauen sich wie muskelbepackte Machos auf. Natürlich wieder unter dem Gejohle der Einheimischen. Ein tolles Schauspiel!
Kleine Pakistan-Statstik:
Reisetage : 68 (davon 32 bezahlte Übernachtungsplätze)
Gefahrene Kilometer: 4740 km
Ausgaben: 10 € pro Person & Tag
Unfälle: mehrmals entkamen wir nur knapp Frontalzusammenstöße mit Bussen und LKWs; die todesmutigen Fahrer wollten beim Überholen einfach nicht einscheren;
Krankheiten : Durchfälle aller Art… bei beiden
Busprobleme : abgerissene Tachowelle – ersetzt, Ölverlust am Motor – Simerring ausgetauscht, Zahnriemen gewechselt, hinter Feder gebrochen – beide ersetzt, Risse im Zylinderblock – gebrauchten & überholten Zylinderblock eingebaut, Wasserpumpe erneuert, Auspuff durchgerostet – geschweißt, Loch in der Leitung zum Turbolader – geschweißt, Kühler verstopft – gereinigt, Außenspiegel von unbekannten Tätern zerstört – Spiegel ersetzt, Glühkerzen verschließen – alle ausgetauscht, Thermostat im Kühlkreislauf ausgetauscht (von 87°C auf 82°C), Fett bei allen Gleichlaufgelenken gewechselt (im Iran wurde das Falsche verwendet)
Highlights: Wild West in Quetta, faszinierender Nanga Parbat im malerischen Astor-Valley, niedliches Karimabad, grandiose Schneeriesen mit endlosen Gletschern, VW-Werkstatt in Pindi, ulkige Grenzzeremonie in Wagah
janus_schymonski@gmx.de
ursula_schymonski@gmx.de
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