Durch die Flut in Nordpakistan wurden unsere Reisepläne ganz schön durcheinander gebracht. Wollten wir doch unbedingt auf den Karakoram Highway (KKH) hoch ins pakistanische Himalaya fahren. So drehte sich auf dem Campingplatz in Islamabad alles um die eine Frage: möglich oder nicht möglich.
Die beiden Engländer Barbara & Norman versuchten es mit ihrem 100.000-Euro-Land-Rover als Erstes. Nach drei Tagen kamen sie entmutigt wieder zurück, eine Brücke sei zerstört & man könne nicht hochfahren. Es gäbe nur eine Möglichkeit: über das Kaghan Valley & den 4200 m hohen Babusar-Pass. Das war den Engländern dann doch zu abenteuerlich, kein Wunder, waren sie beide bereits 69 Jahre alt und wollten noch in diesem Leben um die Welt fahren.
Zwischendurch ließen wir in der einzigen VW-Werkstatt Rawalpindis den Simarring und den Zahnriemen für wenig Geld tauschen & siehe da, endlich nach zwei Jahren Ölverlust war das Problem beseitigt. Bei der Fahrt vor die VW-Werkstatt machte es plötzlich einen lauten Schlag. Zwei Betonplatten, die über die Abwasserkanalisation gelegt worden waren, brachen unter der Last des Braunen zusammen. Entsetzt sprangen wir aus dem Bus, während die Pakistaner nur müde lächelten und „No Problem“ sagten. Innerhalb von fünf Minuten war der Bus wieder aus dem Loch gehievt und hatte glücklicherweise nur einige Kratzer am Unterboden davon getragen. Der Besitzer Moqeem berichtet uns ebenfalls von der Möglichkeit über das Kaghan Valley in den Norden zu kommen. Mit unserem VW-Bus könnten wir aber auf keinen Fall über den Pass kommen. Da bräuchten wir schon einen T 3 Syncro (4-Rad-Antrieb)…
Zurück auf dem Campingplatz beratschlagten wir uns mit dem Spanier Juan, der mittlerweile, da sein Zelt bei den tropischen Regenfällen undicht war, bei uns mit im Bus hauste. Beide wollten wir zunächst bis Naran (70 km vor dem Pass) fahren und dort die Einheimischen nach den momentanen Straßenverhältnissen befragen. So ging es nach elf langen Tagen endlich weiter. Die Fahrt nach Naran war schon ein Abenteuer für sich: weggespülte Straßen, Schlammpisten, Erdrutsche, Flussdurchquerungen und tiefe Schluchten.
Angekommen im Bergdorf blieben wir erst einmal drei Tage. An einem sonnigen Tag mit blauen Himmel, unternahmen wir eine Wanderung zum See Saiful Muluk auf 3400 m. Hatten wir doch in der Euphorie über das schöne Wetter vergessen Sonnencreme aufzutragen. Prompt kam die Rechnung: wir waren krebsrot, Wasserbläschen bildeten sich auf Armen und im Gesicht, noch Wochen später sahen wir die Folgen. Währenddessen versuchte Juan sein Glück und startete mit seinem cross-bereiften Motorrad zum Pass und Richtung Gilgit. Am Abend erfuhren wir am Telefon von ihm, dass er es geschafft hatte. Bis auf zwei heikle Stellen (jeweils 200 m lange tiefe Schlammpisten) sei der Weg schwierig, aber machbar. Am nächsten Tag wollten wir es wagen. Nach wenigen Kilometern endete die teils asphaltierte Straße und ging über in eine Schotterpiste mit Schlaglöchern und Spurrillen. Und da kam sie: die erste schwierige Stelle. Nach kurzer Beratschlagung stand der Plan fest und los ging's im Vollgas durch den bis zu 40 cm tiefen Schlamm. Von Fahren konnte nicht mehr die Rede sein, rutschen wir doch nur so hin und her. Bloß nicht stehen bleiben, sonst wären wir verloren. Es ging gut und bald waren wir an der zweiten Stelle. Im Schlamm steckten bereits ein Minibus und ein allradbetriebener Jeep fest. Nun war guter Rat teuer. Wir überlegten eine Weile bis ganz unverhofft ein Einheimischer kam und uns über eine Wiese umleitete. So ließen wir den Jeep, der uns zuvor noch so großprotzig überholt hatte, stehen und fuhren hoch zum Pass… besser gesagt schlichen, den im 1. Gang lässt es sich bekanntlich nicht so schnell fahren. Überglücklich erreichten wir den Pass. Pakistaner, die dort auf eine Mitreisegelegenheit warteten sahen uns, streckten beide Daumen hoch und sagten: „Oh german car, very good, strong 4 wheel engine“. Wir mussten aussteigen, einige technische Eckdaten vortragen und dann die Pakistaner kopfschüttelnd stehen lassen. Jetzt hieß es nur noch nach unten fahren.
Nach drei weiteren Stunden, oft mit zusammengekniffenen Arschbacken, da die Straßen einspurig waren und es ohne Leitplanken hunderte von Metern steil nach unten abfiel, erreichten wir den KKH bei Chilas. Nach einer ruhigen Nacht am wilden Indus ging es am nächsten Morgen weiter Richtung Nanga Parbat. Am Rama-Lake bei Astor erhofften wir uns eine gute Sicht. Auf dem Weg dorthin geschah es dann: wir fuhren uns in einem Schlammloch fest. Aber Pakistan wäre nicht Pakistan, wenn da nicht gleich zahlreiche Helfer aus dem Gebüsch springen würden. In Pakistan ist man eben nie allein. Buddeln, schieben, beschweren, ruckeln… der Braune war wieder frei. So machten wir es uns auf einer zunächst menschenleeren Wiese gemütlich. In den nächsten beiden Tagen kamen immer wieder Schaulustige, die sich zwei Meter vor unseren setzten, nichts sagten (da es einfache Hirten waren, konnten sie kein englisch), uns mit offenen Mund stundenlang anstarrten und erst wieder gingen als es Abend wurde. Leider sahen wir keinen Nanga Parbat vom Rama-Lake, dazu mussten wir dann schon zum Örtchen Tarashing weiter ruckeln. Und da war er. Majestätisch lag er vor uns. Wunderschön. Wir konnten uns kaum satt sehen. Deswegen starteten wir am nächsten Tag auf den Rupal-Trek. Seit zwei Touristen in der Gegend umgebracht wurden, war es verboten ohne Guide loszuziehen. So gingen wir mit Safuillah, der gebrochen englisch sprach, bei schönstem Wetter los. Am Nachmittag erreichten wir das Nanga Parbat Base Camp, das zu Füßen der 4500 m herabfallenden Rupal-Wand lag. Im Camp trafen wir lustigerweise auf zwei Forscher der Uni Heidelberg, die hier geologische Untersuchungen durchführten. Die ganze Nacht über hörten wir immer wieder Lawinen, die uns beunruhigt aus dem Schlaf rissen.
Am nächsten Tag ging es dann über einen breiten Gletscher, der bedenklich dahin schmolz, nach Latobah, das Dörfchen unseres Guides. Wir wurden herzlich empfangen, konnten uns in aller Ruhe umsehen und bekamen trotz Ramadans ein zweites Frühstück serviert. Nachmittags schlugen wir unser Zelt bei den Hirten von Chillen-Das auf. Kurz darauf zog ein Sturm auf, den unser Zelt und wir gut überstanden. Am Tag 3 ging es in einem 7-Stunden-Gewaltmarsch zurück nach Tarashing. Auf dem Weg zurück kamen wir an einem kleinen, unscheinbaren Haus vorbei. Safiullah erklärte, dass es Reinhold Messner gehöre und er jedes Jahr mit einer Gruppe hier her komme, um die gleiche Strecke, wie wir sie gelaufen sind, zu trekken. In Tarashing blieben wir noch eine Nacht bevor es weiter Richtung Deosai Plateau ging.
Im Örtchen Chillum mussten wir an einem Schlagbaum halten. Danach begann der Deosai National Park, für den je 4 $ zu berappen waren. Kein Mensch oder Reiseführer hatte davon berichtet. Da wir nur noch 12 € in pakistanischer Währung in der Tasche hatten, gaben wir vor kein Geld mehr zu haben: also öffnete sich auch erstmal nicht die Schranke. Nach großer Diskussion legten wir einen Streik ein und kochten erst mal was. Nach dem Essen kamen einige Einheimische an die Bustür und sagten, dass wir uns die 8 $ sparen könnten. Auf dem Weg sei ein 80 cm tiefer Fluss zu durchqueren, mit unserem Fahrzeug unmöglich. Jetzt kamen auch die Herren des Nationalparks wieder, wir dürften als besondere Gäste des Landes, ohne zu zahlen passieren. Nun wollten wir aber nicht mehr, unsere Entscheidung war gefallen: wir kehrten um, zurück zum KKH, um nach Gilgit zu fahren. Dort wollten wir erst mal wieder an Geld kommen.
Daraus wurde allerdings so schnell nichts. Denn ein Erdrutsch auf dem KKH, brachte den Verkehr für ungewisse Zeit zum Erliegen. Zum Glück hatten wir noch einige deutsche Konservendosen dabei, die nun Gold wert waren, denn im Örtchen Talechi wurden alle Waren der Geschäfte von den wartenden LKW-Fahrern aufgekauft. Nach drei Tagen Warterei war alles leer gefuttert und wir entschieden uns mit mageren 500 Rupie (1 € = 108 Rupie) und fast leerem Tank die 70 km zurück nach Chilas zu fahren, um dort an Geld und Vorräte zu kommen. Drei Stunden später erreichten wir Chilas. Dort nahmen wir für 300 Rupie ein einfaches Zimmer und da die Bank bereits zu hatte, mussten wir auf den nächsten Tag hoffen. Doch die Bank wollte nicht wechseln. Erst als wir unsere finanzielle Situation offenbarten, kam ein Bankkunde, legte einen Batzen Scheine auf den Tisch, informierte sich über den aktuellen Wechselkurs und sagte: „No Problem, I make money change.“ So wechselten wir 150 Euro und die Welt war wieder in Ordnung.
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