Quietschende Eselskarren, ein Gewusel an Menschen, ein süßlicher Duft, Linksverkehr, Müllberge, verlockende Essensstände, bärtige Gesichter, kitschig geschmückte Lastwagen – wir sind in Pakistan. Kaum zu glauben wie sich die Welt innerhalb von 100 Metern Grenzübertritt ändern kann. Schnell werden unsere Pässe und das Carnet abgestempelt. Eine Kontrolle des Autos findet wieder nicht statt – wir Glückspilze. Da im Grenzgebiet zu Afghanistan immer wieder Ausländer von der Taliban entführt werden, um sie als Druckmittel gegen westliche Länder einzusetzen sind wir froh schnell voranzukommen, diesmal mit einer gut organisierten Eskorte. Unsere erste Nacht in Pakistan verbringen wir im Gefängnis von Dalbandin. Man sagte uns, dass es der sicherste Ort weit und breit sei. Im Gefängnis selbst konnten wir gar nicht sagen, wer jetzt Gefangener war und wer nicht, denn alle Zellen standen offen und alle liefen frei herum…
Am nächsten Tag ging es früh weiter in Richtung Quetta. Die Strecke, wohl die Schlechteste auf der Fahrt nach Nepal, entpuppte sich als Holperpiste mit Schlaglöchern und Speed-Brakern. So war es kein Wunder, dass mal wieder ein Teil an unserem Braunen abbrach. Ein Stabilisator der Lenkung wurde unterwegs provisorisch geflickt und weiter ging die Fahrt. Nach 9 Stunden für die 320 km lange Strecke kamen wir endlich in Quetta an. Dort trafen wir seit der Türkei endlich mal wieder auf andere Reisende und Overlander. Und zu unserer Überraschung waren wir die jüngsten Überlandreisenden.
Am nächsten Tag machten wir uns auf die Suche nach einem neuen Stabilisator. Nach vier Stunden vergebliche Suche wollten wir gerade mit einem Rikschafahrer um den Rückfahrtspreis verhandeln, als uns zwei Pakistanis ihre Hilfe anboten. Saif und Farooq warfen kurzerhand ihre Freunde aus dem geliehenen Auto, um für uns auf der Rückbank Platz zu schaffen. Sie konnten uns zwar keinen neuen Stabilisator besorgen, allerdings ließen sie das zerbrochene Teil so gut wieder zusammenflicken, dass es besser als das Original war. Pakistaner sind Weltmeister im Improvisieren. Bei ihnen zu Hause wurden wir dann in die typischen pakistanischen Kleider gesteckt, so fielen wir auf den Straßen nicht mehr ganz so auf. Ursel durfte dann auch noch den Frauenteil des Hauses betreten, der für Janus tabu war.
Saif und Farooq waren uns überaus sympathisch, so dass wir die nächsten Tage zusammen verbrachten. Da wir die Beiden nicht mit auf das Hotelgelände nehmen durften und nach 18 Uhr Ausgangssperre für Ausländer herrschte, luden sie uns zu ihrem Häuptling ein. So saßen wir umringt von Stammesführern der Khetran mitten in Quetta, schlürften Tee während uns neugierige Blicke begutachteten. Als der Häuptling hörte, dass zwei Ausländer bei ihm im Garten sitzen, kam er natürlich sofort aus dem Haus. Voller Erfurcht standen alle in einem Halbkreis während er uns ausfragte und dann zum Abendessen einlud. Die Ausgangssperre regelte er persönlich mit der Polizei und schon saßen wir wenige Stunden später zusammen mit Saif im Gästehaus und bekamen Bier und Whiskey serviert. Das Abendessen wurde dann zur gewöhnlichen Uhrzeit um 0:30 Uhr im Nebenzimmer auf dem Boden aufgereiht. Dort warteten bereits die Stammesführer und der Diener, dann begann das große Fressen. Keiner sagte ein Wort, alle schlangen wie wilde Tiere Essen in sich hinein. Der Häuptling neben dem wir saßen gab uns ab und zu einen Fausthieb auf die Schulter und fragte „Enjoy Food?“. Es wurde geschmatzt und gerülpst ohne mit der Wimper zu zucken. Zum Nachtisch gab es dann Mango, allerdings nicht geschnitten sondern am Stück. Wir sollten sie mit der Schale weich kneten und dann von oben aussaugen. Was zunächst ungewohnt war, fanden wir danach super.
Da wir gerne mit Saif, Farooq, ein paar ihrer Freunde und dem Rucksackreisenden Robert aus Deutschland (dem wir schon eine Mitfahrgelegenheit nach Islamabad versprochen hatten) in die Berge fahren wollten, besorgte der Häuptling dann auch noch eine Sondergenehmigung für uns. Da Saif die Verantwortung für uns übernahm konnten wir ohne Eskorte der Polizei losziehen. So trug er bis wir in Ziarat ankamen eine Waffe unter seinem Hemd. Trotz Regen hatten wir die zwei Tage im Zelt mit ihnen einen Heidenspaß, vor allem auch, weil sie einige Flaschen Gin mitbrachten.
Nachdem wir zurück in Quetta waren machten wir uns nach einer letzten Nacht beim Häuptling auf Richtung Islamabad. Da das halbe Land unter Wasser stand war ein Vorankommen nicht ganz so einfach. Auf dem Weg nach Süden sahen wir immer mehr überschwemmte Felder. Da das Vieh nicht mehr auf dem Feld bleiben konnte, führten viele Bauern ihre Kühe, Büffel, Schafe und Ziegen auf den Highway. So wurde aus vier Spuren oft nur Eine, da es überall von Menschen und Tieren wimmelte. Am Straßenrand saßen Menschen mit ihrem letzten trockenen Hab und Gut und warteten darauf zu ihren Hütten zurückzukehren. Ab und zu waren Zelte der UN aufgeschlagen und Polizeiautos verteilten Lebensmittel von der Ladepritsche. In Jacobabad mussten wir dann eine Nacht Zwangspause einlegen, da die Straßen noch überflutet waren. Kaum hielten wir in der Stadt an bildete sich eine Menschentraube um unseren Bus. Unsere Eskorte schrie kurz und schon wichen alle zurück. Die Polizisten traten nicht mehr von unserer Seite. So begleiteten sie uns ins Restaurant und saßen die ganze Nacht vor unserem Hotelzimmer. Am nächsten Tag ging es dann zum Glück weiter. Während wir unterwegs nach Islamabad waren begann auch der Ramadan, der Fastenmonat der Muslime. Dies bedeutete für uns, dass wir tagsüber, aus Respekt den Fastenden gegenüber, in der Öffentlichkeit nichts aßen und tranken. Um 19 Uhr steht dann in ganz Pakistan das Leben still. Geschäfte werden für 30 Minuten geschlossen und alle stürzen sich auf das Abendessen, egal wo sie sind.
Nach fünf Tagen im Auto kamen wir endlich in Islamabad an. Auf dem Campingplatz, der nur für Ausländer ist, trafen wir wieder auf den spanischen Motorradreisenden Juan, die Deutschen Anke, Niels, Maya und Florian, die nach Indien umziehen und die beiden Engländer Barbara und Norman, die um die Welt fahren. Die nächsten Tage verbrachten wir fast ausschließlich auf dem Gelände. Hatte das pakistanische Straßenleben ohne Essen den Reiz für uns verloren. Nur am Abend gingen wir Reisenden zusammen raus, um vor den Moskitos auf dem Campingplatz zu flüchten und etwas zu essen.
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