Nepal 1

 

Unsere erste Station in Nepal sollte das Städtchen Pokhara sein. Idyllisch gelegen an einem See mit Blick auf das Annapurna-Massiv. Nach zwei Tagen Fahrt erreichten wir den touristischen Stadtteil Lakeside und erlitten unseren ersten unvorhersehbaren Kulturschock auf der Reise: massenhaft weiße Touristen, ein Gästehaus nach dem anderem, Souvenirläden, deutsche Bäckereien, Outdoorläden, Internetcafes und Restaurants für jeden Geschmack. Die Kultur vor der wir hier geschockt waren, war zum Glück unsere eigene und so dauerte es nicht allzu lange und wir arrangierten uns damit mal wieder richtiges Brot zu essen, mit anderen Touristen zu quatschen und sie nebenbei noch in Reiseplanung und Trekkingausrüstung zu beraten. Von Pokhara aus starten die meisten Touristen zu einer Trekkingtour ins oder ums Annapurna-Massiv. Auch wir wollten nicht um die halbe Welt gefahren sein, um dann die Berge nur vom Busfenster aus zu bestaunen. Die fast drei Wochen dauernde Umrundung der Annapurna-Gipfel sollte unser erster Trek in Nepal sein. Was in Pakistan noch fast umsonst zu machen war, kostet hier allerdings eine Stange Geld. 70 € sollte das Permit für uns kosten und das Essen in den am Wegesrand gelegenen Lodges sollte auch bis zum vierfachen Preis des Normalen ansteigen. Für urlaubmachende Touristen kein Problem, für uns aber mit schmalen Tagesbudget fast unmöglich. Wir überlegten tagelang hin und her: loslaufen oder nicht. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass wir unser Frühstück für drei Wochen mitschleppen mussten (jeden Tag Porridge mit Pulvermilch und Trockenfrüchten – wer sich jetzt fragt was das ist, in Deutschland kennt man es unter dem Namen Haferschleim) und abends immer nur das nepalesische Nationalgericht Dhal Bhat (Reis, Linsen, Gemüse) bestellen konnten. Es war das einzige Essen von dem hungrige Wanderer wirklich satt werden, denn ein Nachschlag ist im Preis mit inbegriffen. Na dann nichts wie los…

 

Eine fünfstündige, holprige Busfahrt später landeten wir in Besisahar, dem Ausgangsort der Umrundung. Gleich zu Beginn lernten wir die beiden Allgäuer Anja und Martin kennen, die im Vergleich zu uns im Eiltempo durch die Berge rannten und nebenbei noch das doppelte Gewicht auf dem Rücken hatten wie wir. Nach drei Tagen gemeinsames Wandern trennten sich allerdings unsere Wege, denn Janus bekam Fieber und Magenkrämpfe. So blieben wir in einem tibetischen Gästehaus ganze fünf Tage bis Janus einigermaßen wieder zu Kräften kam und wanderten dann weiter. Auf dem Weg zum Krankenhaus in Chame, wo Janus sich noch mal durchchecken lassen wollte, begegneten wir John und Karen aus Südafrika. Da John Arzt war und auch in seinen „Ferien“ das Behandeln nicht sein lassen konnte, hatten wir uns den Weg ins Krankenhaus gespart. Janus schien wieder gesund zu sein und so konnten wir mit unseren neuen Wanderfreunden gemeinsam weiterlaufen. Der Weg um das Annapurna-Massiv schlängelt sich zunächst durch tropisches Gelände, vorbei an saftig grünen Reisterrassen, tosenden Bergflüssen und riesigen Wasserfällen. Alle 5 bis 10 km kam ein kleines Örtchen mit ein paar Lodges und Restaurants. Die Einheimischen begrüßten einen immer eifrig mit Namaste. Uns war allerdings nie ganz klar, ob sie freundlich zu uns oder zu unseren mitgebrachten Rupien waren. Die Kinder waren oft unmöglich. Sie schrien schon von weitem nach Süßigkeiten oder Stiften, stellten sich einem dann in den Weg und versuchten uns in die Taschen zu langen, während die Eltern nur wenige Meter hinten dran saßen und das Geschehen ohne Einwände beobachteten. Wir waren schlichtweg genervt von diesem Verhalten, konnten es aber andererseits gut verstehen.

 

Auf dem Trek laufen jedes Jahr bis zu 70.000 Touristen und nicht wenige kommen mit einer gut gefüllten Brieftasche und denken sich nichts dabei, wenn sie den ach so süßen Kleinen mal ein paar Rupien oder ungesunde Leckereien zustecken. Dieser Teil Nepals konnte nicht das wahre Nepal sein. Weiter ging es nun in kargerem Gebirge, vorbei an Schneeriesen, nur noch vereinzelt gab es ein paar Büsche und die Dörfer bestanden oft nur noch aus zwei Häusern, die gleichzeitig als Lodge dienten. Wir waren wirklich überrascht, dass wir sogar auf 4500m auf einer weichen Matratze nächtigen konnten und eine wärmende Decke, die man sich über den Schlafsack legen konnte, zur Verfügung gestellt bekam. Unsere kleine Wandergruppe aus Karen, John und uns beiden wurde bald um weitere Deutsche erweitert. Zuerst stießen Natalie & Ralf und später auch noch Katha & Hannes dazu. Waren wir doch alle so unterschiedliche Reisetypen hatten wir doch eines gemeinsam: die Liebe zu VW-Bussen. Höhepunkt der Annapurna-Umrundung ist die Überquerung des 5416m hohen Thorung-La Passes, dem größten Pass der Welt. Die letzte Nacht vor diesem schweren und vor allem langen Tag verbrachten wir im Base Camp auf 4500m.

 

Nach einer unruhigen Nacht liefen wir am nächsten Morgen um 6 Uhr aufgeregt los. Hatten wir doch zuvor alle noch einen Vortrag über die Höhenkrankheit mit ihren Symptomen und Auswirkungen gehört. So fragten wir uns bei jeder Verschnaufpause nach dem allgemeinen Wohlbefinden und vor allem nach Kopfschmerzen, dem ersten Anzeichen der Höhenkrankheit ab. Ab 5000m merkten wir sichtlich wie die Luft dünner und dünner wurde. An schnell laufen war nicht zu denken, im Gänsemarsch ging es nur mühsam vorwärts. Nach unendlich wirkenden vier Stunden erreichten wir den Pass. Wir fielen uns erleichtert in die Arme, bei den Damen der Wandergruppe kullerten einige Erleichterungstränen. Da es bitterkalt war und die ersten Kopfschmerzen einsetzten, hieß es nach ein paar Beweisfotos schnell abzusteigen. Nach 1600 knie-zermürbenden Höhenmetern erreichten wir völlig erschöpft Muktinath, ein malerisches Örtchen mit hinduistischen und buddhistischen Tempeln. Ein guter Ort, um sich einen weiteren Tag von dem 10 Stunden langen Passtag auszuruhen. Weiter ging es nach Kagbeni, wo es doch tatsächlich einen Yak-Donald´s mit Yak-Cheese-Burgern gab. Dort mussten wir einen Zwischenstopp einlegen bevor es weiter nach Jomsom ging. Der Weg war eigentlich recht einfach, wenn man sich den Wind weg denkt der uns entgegen pfiff. Wie in einem Windkanal arbeiteten wir uns Meter um Meter vorwärts. In Jomsom nahmen wir dann Abschied von unseren Freunden. Sie fuhren mit dem für uns überteuerten Bus zurück nach Pokhara während wir noch weitere Stunden liefen, um einen billigeren Bus an der Straße abzufangen. Am Ende zahlten wir nur die Hälfte was andere Touristen für die Strecke nach Pokhara bezahlten.

 

Nach einer Nacht Zwischenstopp in Beni kamen wir nach 20 Tagen und um einige Kilo leichter einigermaßen wohlbehalten zurück in Pokhara an. Nach so einer langen Zeit waren wir fast schon ein wenig aufgeregt wieder unseren Braunen zu sehen, der in der Zwischenzeit sicher bei einer Lodge in Lakeside geparkt war. Überrascht mussten wir feststellen, dass wir bei unserem Aufbruch vor drei Wochen vergessen hatten, die Schiebetür abzuschließen....

In unserer Abwesenheit hatte sich einiges getan: Spanier Juan war ebenfalls in Pokhara und hinterließ eine Nachricht an unserem Bus, die beiden Österreicher Kerstin und Rudi, mit denen wir eine lustige Zeit auf dem Campingplatz in Islamabad hatten, waren im gleichen Gästehaus und dann kamen auch noch Anja und Martin wieder in Pokhara an. Die ersten Tage nach dem Trek waren wir ganz schön im Verabredungsstress. In Pokhara trafen wir dann auch noch mal auf die Thorung-La Bezwinger und feierten unseren letzten Abend im Steakhouse. Die Rupien, die wir so mühsam durch das Mitschleppen des Frühstücks auf dem Trek gespart hatten, wurden nun in wenigen Stunden in mehrere Steaks und literweise Bier investiert. Die nächsten Tage mussten wir noch einen weiteren Berg bezwingen: den schmutzige Wäscheberg. Einige Tage später hatten wir ihn auf Meeresspiegel herunter und konnten Pokhara in Richtung untouristischen Westen verlassen.