Indien 2

 

Indien – kein anderes Land fasziniert und schreckt gleichzeitig ab wie dieses. Kein anderes Land ist so vielseitig, bunt, quirlig, vermüllt, bettelarm & nervig. Ein Land der Gegensätze.

In Indien widmen wir uns erstmal dem Besten was es zu bieten hat – dem Essen. Bei Masala Dosa (dünner Linsenmehlpfannkuchen), Thali (Reis mit mindestens drei verschiedenen Currys), Samosa (gefüllte frittierte Teigtasche) und Biryani (Gewürzreis) vergessen wir die ganzen Gaffer um uns herum, die uns unentwegt anstarren.

 

Da wir die meisten Indien-Highlights bei unserer ersten Reise bereits besucht hatten und wir gerade in der Nähe waren, machten wir uns sogleich auf zu den abgelegenen und schwer zu bereisenden Nordoststaaten Indiens. Auf den 600 km bis dorthin, sterben wir so einige Tode, der Verkehr ist unbeschreiblich. Begriffe wie defensives Fahren, Schulterblick und toter Winkel gibt es hier nicht. Aus Seitenstraßen wird ohne irgendwelche Vorfahrtsregeln zu beachten herausgefahren. Außenspiegel sind entweder abgefahren, eingeklappt oder gleich ganz abmontiert. Es wird ständig überholt ohne zu schauen, ob überhaupt frei ist. Wie oft mussten wir eine Vollbremsung hinlegen oder auf den unbefestigten Seitenstreifen ausweichen, weil uns ein LKW oder Bus im Karacho und mit Lichthupe auf unserer Fahrbahn entgegen kam. Auf unser Recht zu beharren ist aussichtslos. Oft zeigen wir den ausgestreckten Mittelfinger – ernten aber nur Gelächter und bekommen zugewunken. Später erfahren wir, dass in Indien dieses Zeichen nicht so geläufig ist... Wir verfluchen alle Busfahrer, die mit Abstand die Schlimmsten sind und schwören uns, wenn wir eines Tages einen Inder kennen lernen und er offenbart uns, dass er Busfahrer ist hat leider sein letztes Stündchen geschlagen. Bevor wir am Morgen auf die Straße fahren senden wir ein kurzes Gebet an unseren Schutzengel, dass er uns heute wieder lebendig durch den Tag bringen möge. Hier gewinnt der Sicherheitsgurt wieder an Bedeutung, ihn hatten wir in den bergigen Gegenden nicht angelegt, um im Falle eines Absturzes schnell aus dem Fahrzeug springen zu können.

 

Wir nächtigen wie so oft wild; schlafen irgendwo, wo es ruhig und einigermaßen schön bzw. nicht zugemüllt ist. Bereits in der zweiten Nacht klopft es gegen 22 Uhr an den Bus, wir hatten bereits geschlafen, weil wir so vom Verkehr geschafft waren. Verdattert öffnen wir die Schiebetür (wie immer stehen die Störer an der falschen Seite – in Indien sind die Schiebetüren auf der linken Seite) und sehen uns ca. zehn bewaffneten Polizisten gegenüber. Wir dürften hier nicht schlafen, es sei zu gefährlich. Nach langem Hin & Her fahren wir mit zur Polizeistation, wo uns ein sicherer und ruhiger Schlafplatz versprochen wurde. Doch so einfach lassen sie uns natürlich nicht gehen, wir müssen beim Oberst vorsprechen und unsere Pässe vorlegen. Dieser hatte wohl noch nie Ausländer vor sich sitzen, denn erst hält er einen unserer Pässe falsch herum und versucht diesen zu lesen, dann nach einem dezentem Hinweis blättert er herum und behauptet wir wären mit abgelaufenem Visum da. Bei näherem Hinsehen stellt sich heraus, dass er das Iran-Visum vor sich hat. Das hohe Tier braucht dann noch eine geschlagene halbe Stunde, um unsere Namen und Passnummern aufzuschreiben („Nein das ist mein Geburtsort und nicht mein Nachname usw.“). Dann endlich gehts zurück in den Bus und zum Teil 2 dieser Nacht.

In der nächsten Nacht ein ähnliches Schauspiel, nur diesmal ist es 5:30 Uhr und drei Militärfahrzeuge haben uns entdeckt und finden es total großartig uns zu wecken, unseren Bus zu inspizieren und dann ein Lied nach dem anderen zu trällern. Das wars also mit der Nachtruhe, weiter geht die Fahrt.

 

Wir sind mittlerweile im Staat Assam angekommen. Soweit das Auge reicht Teeplantagen. Wunderschön, nur leider ist gerade keine Saison und wir bekommen keine pflückenden Frauen vor die Linse. Das größte Highlight in Assam ist allerdings nicht der Tee, sondern der Kaziranga Nationalpark mit seinen 2000 Nashörnern. Wir sind gerade auf dem Weg zum Örtchen Kohora, wo der Eingang zum Nationalpark liegt, als wir ein Nashorn 20m von der Straße entfernt im Feld grasen sehen. Unglaublich, in Nepal streifen wir tagelang durch die Dschungel, um dann Eins zu erblicken und hier steht es unscheinbar an der Straße. Wir halten an, beobachten und fotografieren es, während es sich beim seinem Fraß nicht stören lässt. Auf der weiteren Fahrt entdecken wir noch 15 weitere Exemplare, unter anderem auch ein Muttertier mit Baby. In Kohora haben wir in der kurzen Zeit unser Stamm-Hotel (ein einfaches Restaurant wird hier Hotel genannt, was bei der Zimmersuche unserer ersten Indienreise oft zu Verwirrung geführt hatte) gefunden uns sitzen gerade beim Frühstück als ein rasender Reporter die Tür hereinstürmt und uns um ein Interview für seine Nachrichtensendung auf einem der vielen indischen Fernsehsender bittet. Wir essen schnell fertig und stehen dann mit vorgehaltenem Mikrofon Rede und Antwort, führen unseren Braunen vor und sehen ihn genauso schnell wieder verschinden wie er aufgetaucht ist.

Im Örtchen bestaunen wir wieder Arbeitselefanten und fahren „unabsichtlich“ in den Nationalpark. Das Glück hält allerdings nur kurz – nach 2 km haben uns Ranger im Visier und rasen mit ihrem Jeep und Lichthupe hinterher. Wir befinden uns im Nationalpark, in dem keine privaten Fahrzeuge erlaubt sind und außerdem haben wir nicht einmal ein Eintrittsticket. Dieses wollten wir sowieso nicht kaufen, da uns die ganze Abzocke was Ausländer angeht ziemlich gegen den Strich geht. Während Inder umgerechnet 40 Cent Eintritt zahlen, sollen wir 5 Euro hinlegen. Hat man dieses dann bezahlt soll man noch eine überteuerte Jeepfahrt buchen, die dann mit 15 Euro zu Buche schlägt. Ohne uns. Wir fahren noch ein wenig durch Assam als wir mal wieder eines nachts unsanft geweckt werden. Die Polizei findet unseren Schlafplatz mal wieder nicht den Sicherheitsvorschriften gemäß, in einem Satz erwähnen sie, dass die Bewohner des nahe gelegenen Dorfes sie gerufen hatten, sie hielten uns für Terroristen, wahrscheinlich wegen unserem „Volkswagen Club of Pakistan“-Aufkleber. Und da sich Terroristen der beiden Länder mit gegenseitigen Bombenattentaten attackieren, war den Bewohnern die Verbindung zu Bombenlegern nahe. Diesmal weigerten wir uns vehement. Wir erklärten ihnen, dass sie gerne eine Eskorte neben uns parken dürften um uns zu bewachen. So war es dann auch, wir hatten diesmal gewonnen und konnten ohne umzuparken weiterschlafen.

 

Einen Abstecher machten wir dann noch in den Bundesstaat Meghalaya. In der ehemaligen Hill Station Shillong finden wir beim Don Bosco Museum einen Schlafplatz. Shillong ist hübschhäßlich – die Straßen sind verstopft mit Fahrzeugen und dennoch hat die Stadt mit ihren gepflegten Häusern und aufgehängten Mülleimern (da dies so ungewöhnlich für Indien ist, musste es hier erwähnt werden) ihren Charme. Wir stürzten uns in den verwinkelten Bara-Bazar und finden einen frauendominierten Handel vor. Es gibt nichts was es nicht zu kaufen gibt und die Einheimischen lassen sich munter fotografieren. Allerdings gab es ab und zu Geschrei, da sie das Bild, nachdem wir es ihnen auf dem Display gezeigt hatten, haben wollten. Sie konnten nicht verstehen, dass wir das Bild nicht aus dem Fotoapparat holen konnten. Also nichts wie weg - zum nächsten Geschrei....

 

Eine Vorliebe der Einwohner von Shillong ist das Lottospiel. Allerdings läuft dies hier nicht wie bei uns mit Kugeln, Lottofee und Zusatzzahl ab, sondern mit Pfeilen. Auf einem Spielfeld versammeln sich jeden Tag 50 Bogenschützen, die in einer vorgegebenen Zeit so viele Pfeile wie möglich in einem Strohballen versenken. Nach Ablauf der Zeit werden die Pfeile unter Aufsicht gezählt. Bei dem Ergebnis zählen allerdings nur die letzten beiden Ziffern. In der ganzen Stadt findet man Wettbüros und auch wir wollten unser Glück versuchen und setzen auf eine Sieben am Ende. Unser Wetteinsatz betrug 15 Cent. Wir waren fast ein wenig aufgeregt als die Pfeile ausgezählt wurden. Am Ende erreichten 847 Pfeile das Ziel – wir hatten im Lotto gewonnen. Freudestrahlend ging es zu dem Wettbüro zurück, indem wir gesetzt hatten und holten stolz unseren Gewinn von 1,50 Euro ab.

Mit dem Gewinn in der Tasche fuhren wir weiter zur Grenze von Bangladesch, in die regenreichste Region der Welt. Im Distrikt Cherrapungee trafen wir im einzigen Resort mal wieder auf Touristen. Highlight der Region ist neben dem Regen sogenannte Wurzelbrücken. 200 Jahre brauchen diese zum entstehen. Die Wanderungen zu diesen Brücken waren schon die Anreise wert. Wir kamen uns wie auf einem riesigen Abenteuerspielplatz vor: Stahlseilhängebrücken, an denen man sich entlanghangeln musste, natürliche Frischwasserpools, in denen wir uns erfrischen konnten und natürlich die Wurzelbrücken, die zum Teil sehr wackelig waren. Beim abendlichen Lagerfeuer berichteten uns andere Touristen, dass die „verbotenen Staaten“ Mizoram, Manipur und Nagaland, für die man seit eh und je ein Permit aus Delhi brauchte, seit zwei Wochen offen seinen. Wir könnten dort ohne vorherigen wochenlangen Papierkram einreisen. Gesagt – getan. Zurück in Shillong besorgten wir uns von oberster Stelle eine Kopie des Innenministeriums über diese Änderungen und fuhren los zur Grenze von Mizoram.

 

Natürlich hatten wir auf dem Weg dorthin mal wieder eine nächtliche Auseinandersetzung zunächst mit dem Militär, dann mit der Polizei, wobei wir am Ende mal wieder zusammenpacken und umparken mussten.

Kaum waren wir in Aizwal, der wohl steilsten Bundeshauptstadt, angekommen registrierten wir uns bei der Polizei. Da Samstag war und alle Ämter zu hatten, mussten wir den Polizeichef von seinem Badmintonspiel holen, der uns dann sogleich zum zuständigen Büro 5 km weiter brachte. Dort begrüßte man uns als die ersten Ausländer, die mit dem eigenen Auto angereist kamen. Einen Anruf später hatte er uns dann noch einen Schlafplatz bei einem Hotel organisiert und die Verkehrspolizei per Funk informiert, dass sie uns den Weg zum Hotel weisen sollten. Toll, nachts mal durchzuschlafen ohne von der Polizei geweckt zu werden. Jedoch klopfte es eines Mittags mal wieder an den Bus und der Secret Service der indischen Regierung stand vor unserer Tür...