Indien 1

 

Nach nun über dreimonatiger muslimischer Gastfreundschaft herrschte in Indien nun ein anderer Ton. Unser Bus wurde zum ersten Mal auf der Reise gründlich von den Grenzbeamten unter die Lupe genommen. Da es aber nichts zum beanstanden gab, fuhren wir weiter ins nahe gelegene Amritsar. Dort befindet sich das Heiligtum der Sikhs, der goldene Tempel. Um ihn zu betreten mussten wir die Schuhe abgeben, unsere Füße waschen und eine Kopfbedeckung tragen. Die Sikhs hatten wir bereits auf der letzten Reise als anständige und nette Menschen kennen gelernt, fragt man sie nach dem Weg bekommt man eine ehrliche Auskunft, fragt man einen Inder, sagt er oft irgendetwas. Ein besonderes Merkmal ihrer Tempel ist, dass sie alle Küchen haben und jeder Besucher ein Essen für umsonst bekommt. Egal ob Sikh oder nicht. So werden im goldenen Tempel täglich bis zu 40.000 Essen zubereitet. An dem Tag an dem wir den Tempel besuchten wurden aber bei weitem mehr Essen ausgegeben, denn es war der Todestag ihres obersten Gurus und alles was laufen konnte begab sich auf dem Weg in den Tempel. Als wir am Abend an ihrem Heiligtum ankamen hatten wir noch die Befürchtung, dass aufgrund der Menschenmasse eine Panik ausbrechen könnte. Doch trotz Rempelei und Gedränge blieb es friedlich, keiner störte sich daran, wenn man auf ihn fiel. Die Sikhs entzündeten überall Kerzen, schüttelten uns die Hände und ließen sich mit uns fotografieren. Nach einem abschließenden Feuerwerk hieß es dann für uns aus der Stadt raus zu fahren und am Stadtrand zu nächtigen. Was für ein tolles Erlebnis wir bereits am ersten Tag in Indien hatten!

 

Am nächsten Tag machten wir uns dann auf nach Chandigarh. Dort hatte vor über 50 Jahren der pakistanische Flüchtling Nek Chand beim Anblick der Unmengen von Müll in der Stadt, die glorreiche Idee aus dem Müll und den Steinen in der Umgebung einen Garten mit zehntausenden Gestalten und Figuren zu schaffen. Eigentlich nur so für sich, heute besuchen viele Touristen, so wie wir auch, diesen 20 ha großen Fantasiegarten.

In den nächsten Tagen ging es in Richtung nepalesische Grenze. Indien wollten wir erst später richtig bereisen, in Nepal aber wartete die beste Reisezeit auf uns.

Die Straßen waren einigermaßen gut, der Verkehr nicht. Wir waren ja schon einiges aus dem Iran und aus Pakistan gewohnt, was sich hier aber auf den Straßen abspielte grenzte gerade zu an ein Himmelfahrtskommando. Autos überholten sich trotz ständigem Gegenverkehr, drängten sich gegenseitig ab, schnitten sich, es wurde gehupt wo es nichts zum hupen gab, Blinker werden nicht benutzt, Außenspiegel sind abmontiert und jedes Auto hat mindestens eine Delle. Auch uns wollte ein Busfahrer zweimal hintereinander in den Graben drängen. Da das Hämmern an den 10cm entfernten Bus nichts brachte musste die Axt her. Wir schlugen ihm zwei große Dellen mit der stumpfen Seite in seine linke Flanke, fotografierten ihn und sein Nummernschild, danach gab er Ruhe.

 

Auf den 1350 km die wir durch Indien im Transit fuhren kamen wir immer wieder an Mautstationen vorbei. Oft war es unverschämt, für eine derart schlechte Straße auch noch Maut zu verlangen. Was bereits in Pakistan super klappte, sollte jetzt auch in Indien der Fall sein: wir zahlten einfach nicht. Unsere Begründung war, dass wir Diplomaten seien, das D auf dem Kennzeichen stehe für Diplomatie. Und man glaube es nicht, aber die einfach gestrickten Inder öffneten uns fast immer ohne Probleme die Schranke.

An einem Abend schlugen wir unser Nachtlager auf einer zunächst menschenleeren Wiese auf. Kurze Zeit später war das halbe Dorf um den Bus versammelt. Sie brachten einen Dolmetscher mit und dann mussten wir stundenlang Fragen beantworten, deutsche Lieder singen und unseren Bus vorführen. Kurz vorm schlafen gehen, kam dann der Besitzer der Wiese und wollte wissen, wer wir seien. Es sei hier viel zu gefährlich für uns zu bleiben, außer wenn wir Waffen dabei hätten. Also logen wir vor, dass wir bei der deutschen Polizei in einer Eliteeinheit arbeiteten und selbstverständlich Schusswaffen dabei hätten. Er glaubte uns und dampfte ab.

Am nächsten Morgen um 6 Uhr stand schon wieder das halbe Dorf vorm Bus und trommelte dagegen. Wir sollen rauskommen, sie wollen was zum schauen haben. Wir packten schnell alles hinterm Vorhang zusammen, ließen uns dann noch kurz bestaunen und fuhren in Richtung Grenze ab.

 

Nach fast 20.000 km erreichten wir am Reisetag 187 die indisch-nepalesische Grenze. Trotz vieler Skeptiker zu Hause hatte es unser Brauner geschafft, wir waren mächtig stolz.